Kagyu Samye Dzong Kirchheim e.V.


Buddhistische Hauptaspekte

Die buddhistische Praxis hat drei Hauptaspekte:

  • Keinen Schaden anrichten
  • Heilsame Handlungen ausführen
  • Den Geist durch Meditation trainieren

Buddhistische Meditationsmethoden zielen nicht nur darauf ab, den Geist zu beruhigen, sondern auch Einblicke in die Funktionsweise des Geistes zu gewinnen. Durch anhaltende Meditationspraxis lässt sich unser Geist allmählich mehr und mehr auf die Ruhe des gegenwärtigen Augenblicks ein. Auf dieser Grundlage der Ruhe entsteht eine Einsicht darüber, wie unsere begrenzenden Geistesmuster funktionieren, und dies ermöglicht es uns, eine tiefere Ebene der Ganzheit und Wahrheit in uns selbst aufzudecken. Auf diese Weise transformieren wir allmählich unsere negativen Tendenzen des Geistes, und unsere angeborenen Eigenschaften von Weisheit und Mitgefühl manifestieren sich immer vollständiger in unserem Leben.

Einer der Hauptunterschiede zwischen dem Buddhismus und anderen Religionen ist seine Perspektive auf die grundlegende menschliche Natur. Während es in vielen anderen Traditionen üblich ist, einen Menschen als von Natur aus fehlerhaft oder unrein anzusehen, und daher die Lebensaufgabe dieses Menschen darin besteht, Erlösung zu suchen, betrachtet die buddhistische Tradition die Menschen als von Natur aus gut und rein, und unsere Lebensaufgabe besteht darin, diese angeborene Reinheit zu erwecken.  

Es gibt drei verschiedene Ebenen buddhistischer Lehre und Praxis, von denen jede die Grundlage für die nächste bildet. Sie werden oft als „Fahrzeuge“ bezeichnet, weil sie das Mittel sind, um den Weg zur Erleuchtung zu beschreiten. Die erste Stufe ist das Hinayana oder „Basisfahrzeug“. Die zweite Ebene ist das Mahayana oder „Größere Fahrzeug“, und das dritte Fahrzeug ist das Vajrayana oder „unzerstörbare Fahrzeug“. Jedes dieser Fahrzeuge wurde von Shakyamuni, dem Buddha, zu verschiedenen Zeiten und an unterschiedlichen Orten unterrichtet.

Manchmal glauben Menschen fälschlicherweise, dass sie verschiedene Richtungen des Buddhismus sind, die sich gegenseitig widersprechen. Das ist nicht richtig. Sie sind miteinander verbundene Teile eines einzigen Lehrkörpers, den der Buddha im Laufe seines Lebens gegeben hat.  

Hinayana wird auch als „der Weg der Entsagung“ bezeichnet, und wurzelt in diszipliniertem und ethischem Verhalten. Es lehrt die vier edlen Wahrheiten und den edlen achtfachen Pfad als Mittel, um sich vom Leiden im Kreislauf von Samsara – dem Leiden des Alltags – zu befreien, dass auch als „Rad der konditionierten Existenz“ bezeichnet wird.

Mahayana wird „der Weg des Bodhisattva“ genannt. Ein Bodhisattva ist ein Mensch, der die leere Natur aller Phänomene wahrnimmt und das Herz großen Mitgefühls entwickelt, indem er alle Lebewesen vom Leiden befreien und sie zur vollständigen Erleuchtung führen möchte.

Vajrayana ist ein besonderer Aspekt des Mahayana. Hier werden Methoden verwendet, die als geschickte Mittel bezeichnet werden, wie Visualisierung und Mantra, um den Weg zur Erleuchtung zu beschleunigen.  

Alle drei Fahrzeuge sind in der tibetisch-buddhistischen Tradition erhalten geblieben. Sie werden heutzutage von vier Hauptschulen praktiziert und unterrichtet – Nyingma, Kagyu, Sakya und Gelug – von denen jede ihre Abstammung auf Shakyamuni Buddha zurückführen kann.


Bedeutung und Wichtigkeit der Übertragungslinie der Lehren und Methoden

Der historische Buddha, Buddha Shakyamuni, lehrte auf verschiedenen Ebenen, um auf die unterschiedlichen Fähigkeiten seiner Schüler einzugehen. Alle seine Lehren sind jedoch in sogenannten Sutra- und Tantra-Wegen zusammengefasst. Buddha selbst lehrte nur mündlich. Seine Schüler begannen allerdings bald damit, die Lehren niederzuschreiben, um sie in ihrer ursprünglichen Form weiterzugeben. Darüber hinaus verfassten buddhistische Meister eine große Anzahl von Werken, in denen sie die Bedeutung der Lehre Buddhas weiter verdeutlichten. Der Schwerpunkt lag immer auf einer authentischen und genauen Weitergabe der Lehren, da dies für die buddhistische Praxis von großer Bedeutung ist. Über die Jahrhunderte hinweg entwickelten sich dann verschiedene Übertragungslinien mit den ihnen jeweils zueigenen besonderen Merkmalen.

Die Kagyu-Tradition ist eine der vier Hauptschulen des tibetischen Buddhismus. Auch sie gründet auf der Tradition von Buddha Shakyamuni. Die wichtigste Quelle der besonderen Übungen, die den Kagyu Orden kennzeichnen, ist der große indische Yogi Tilopa (988-1069), einer der 84 Mahasiddhas in Indien, welcher die spontane Erkenntnis erleuchteter Verwirklichung erreicht hatte. Diese Erkenntnis erlangte er mit Hilfe der Methoden des Vajrayana, die von Buddha Sakyamuni nur einigen ausgewählten Schülern gelehrt wurden.

Diese Übertragungslinie wurde ungebrochen weitergegeben und ausgeübt. Auch Tilopa gab sie an seinen Herzenschüler Naropa weiter, worauf sie durch den Übersetzer Marpa nach Tibet gelangten. Dessen Hauptschüler war der größte Yogi Tibets, Milarepa, der durch seine 100 000 sponaten Gesänge bekannt wurde. Sein Schüler war Gampopa, dessen Kommen vom Buddha prophezeit wurde. Dieser wiederum war der Lehrer des ersten Karmapa, Düsum Khyenpa.

Die Übertragungslinie der Kagyu legt großen Wert auf die Kontinuität der mündlichen Überlieferung, welche von Meister zu Schüler weitergegeben wird. Dies ist auch die wörtliche Bedeutung von Kagyu: Ka=mündlich Gyu: Übertragungslinie oder Kontinuität.


Buddhismus in Zahlen

Die zehn negativen Verhaltensweisen:

  • Drei in Bezug auf den Körper:
    Töten, Stehlen, sexuelles Fehlverhalten
  • Vier in Bezug auf die Rede:
    Lügen, unnützes Geschwätz, Verleumdung, verletzende Worte
  • Drei in Bezug auf den Geist:
    Boshaftigkeit, Neid und falsche Sichtweisen

Einige Worte zum Buddhismus

Im Laufe der letzten 3000 Jahren haben sich viele verschiedene spirituelle Traditionen entwickelt und diese können in zwei Arten unterteilt werden. Die eine Art hat feststehende Grundsätze, ein philosophisches System, wohingegen sich die andere nicht auf ein klar ausgeprägtes philosophisches System stützt, sondern auf starke Glaubensstrukturen. Solche können zum Beispiel die Verehrung von Phänomenen aus dem Reich der Natur wie Sonne oder Mond beinhalten. Der Buddhismus ist eine Lehre mit klaren philosophischen Grundsätzen, die auf Untersuchen und Erforschen beruhen und durch analytisches Denken begründet werden. Im Buddhismus gibt es zwei große Schulen. Eine stützt sich größtenteils auf die Hingabe zu Buddha oder auf das Vertrauen in seine Lehren und Schriften, während die andere Schule größeren Wert auf schlussfolgerndes Denken und Analyse legt. Der tibetische Buddhismus gehört zum zweiten System. Er hat vier Linien, die auf einem schrittweisen Weg des Untersuchens beruhen und nicht nur den Lehren folgen, wie sie weitergegeben wurden. Der schrittweise Prozess, der von diesen vier Linien gelehrt wird, beruht auf einer tiefgehenden Auseinandersetzung, die verschiedene Perspektiven einnimmt, um herauszufinden, wie die Dinge wirklich sind.

Buddhas Lehren (Kangyur auf Tibetisch) können unterschiedlich eingeteilt werden. Eine Möglichkeit ist es, sie in drei Sammlungen von Schriften einzuteilen, die Tripitaka genannt werden:  das Vinaya (Ordensdisziplin), Sutra (Lehrreden) und Abhidharma (höheres Wissen oder Phänomenologie). Oder sie könnten als vier Ebenen des Tantras betrachtet werden und so weiter.  

Die tibetische Sammlung von Kommentaren zu Buddhas Lehren wird Tengyur genannt. Obwohl sehr früh mit den Übersetzungen ins Tibetische begonnen wurde, stellen wir selbst jetzt noch fest, dass viele von Buddhas Belehrungen noch nicht übersetzt wurden. Die buddhistischen Schriften und die maßgeblichen Texte der großen indischen Meister wurden größtenteils in Sanskrit oder Pali geschrieben. Später wurden von vielen großen Meistern in China, Tibet und anderen Ländern unzählige Kommentare und wichtige Werke verfasst. Im Buddhismus gibt es drei Hauptrichtungen oder Fahrzeuge – Theravada (der Weg der Älteren), Mahayana (das Große Fahrzeug) und Vajrayana (das Vajra- oder Diamantfahrzeug). Es ist wichtig zu verstehen, dass verschiedene Menschen zu verschiedenen Ebenen der Lehren Zugang finden. Wenn Leute von den buddhistischen Lehren angezogen werden, sollten sie herausfinden, welche für sie geeignet sind. Es ist nicht notwendig, dass jeder buddhistische Praktizierende alle drei Ebenen von Lehren vollkommen versteht.

Wenn wir aber das Vajrayana studieren und darüber meditieren, sollten wir seinen wahren Sinn und seine tiefere Bedeutung verstehen. In Tibet studieren und praktizieren wir im Rahmen dieser Tradition des Vajrayana. In der Vergangenheit praktizierten viele große Meister an den zwei wichtigen buddhistischen Universitäten in Indien: Nalanda und Njkramashila. Diese Meister waren sehr gelehrt und hoch verwirklicht und verbreiteten die authentischen Lehren des Vajrayana, indem sie Praxis-Sadhanas verfassten und mündliche Belehrungen gaben. Nagarjuna, der Begründer der Madhyamaka-Philosophie, schrieb zum Beispiel zahlreiche Praxistexte, Kommentare und besondere Anweisungen zu unterschiedlichen Tantras und Vajrayana-Lehren. Seine Schüler Aryadeva und Chandrakirti folgten seinem Beispiel und verfassten sowohl analytische, als auch tantrische Texte. Der große Meister Naropa praktizierte und lehrte wie andere Gelehrte an der Nalanda-Universität das Vajrayana. Wenn wir also die Geschichte ansehen, stellen wir fest, dass die Meister, die das Vajrayana praktizierten und lehrten, zweifelsohne als Buddhisten betrachtet wurden. Diese Geschichte der Gelehrten zeigt, dass der Buddhismus nicht nur ein System ist, das auf Glauben beruht.

Wenn wir den Dharma praktizieren, entwickeln wir Weisheit, indem wir unsere Intelligenz und die Kraft des analytischen Denkens verwenden. Durch Hören, Reflektieren und Meditieren beseitigen wir Zweifel und entwickeln unsere Fähigkeit, mit schlussfolgerndem Denken zu analysieren. Zuerst hören wir zu und studieren wir, um die verschiedenen Darlegungen des Dharma zu erlernen. Dann gehen wir Fragen immer wieder durch und wenden verschiedene Arten analytischer Untersuchung an. Wenn wir uns dazu entscheiden, Bodhicitta — die Absicht, Erleuchtung zum Wohle aller fühlenden Wesen zu erlangen — zu praktizieren, versuchen wir nicht nur, die Bedeutung des Wortes zu verstehen. Studieren und Reflektieren ist nicht genug. Ob es sich nun um Liebe und Mitgefühl oder um Bodhicitta handelt, es reicht nicht, einfach zu sagen: „Liebe bedeutet dies“ und „Bodhicitta bedeutet das“. Wir müssen so klar und so stark spüren, was Bodhicitta bedeutet, dass es eins mit unserem Geist wird und mit unserer Daseinsweise verschmilzt. Wenn das nicht passiert, haben wir nur ein konzeptuelles Verständnis und nicht etwas, das wir selbst erfahren haben.

Teachings zu: Buddhistische Grundbegriffe

  • Teaching angelegt von Stephan
  • letzte Bearbeitung am: 30. März 2024