Karma
Was wir in diesem Leben tun, bedarf der äußersten Aufmerksamkeit. Wir sind ständig dabei, Karma zu erzeugen, und können auch sehen, dass wir häufig sofortige Resultate bekommen. Wenn wir uns zum Beispiel ärgern, fühlen wir uns sofort nicht gut, wir brauchen nicht auf ein nächstes Leben zu warten. Wenn wir anderen Menschen liebevoll und hilfreich begegnen, haben wir sofort ein Gefühl der Zufriedenheit.
Das Wissen, dass wir selbst die Ursachen herbeigeführt haben und daher die Resultate bekommen, verhilft uns zur Selbstverantwortlichkeit. Wir hören auf, Sündenböcke zu suchen. Andere Menschen und äußere Situationen sind die Auslöser für unsere Reaktionen, aber weiter auch nichts. Wir können unsere Reaktionen beobachten, und wenn sie nicht heilsam sind, können wir versuchen, sie zu ändern. Wenn uns dies hier und da nicht gelingt, müssen wir zugeben, dass wir uns in einer Situation befinden, der wir nicht gewachsen sind, und dass wir gerade hier noch viel zu lernen haben. Es wäre vermessen anzunehmen, dass wir schon alles können.
Wenn wir versuchen, Meditation in unser Leben einzubauen, so geht es nicht ohne innere Ehrlichkeit, die uns erkennen lässt, an welchen Stellen wir noch an uns arbeiten müssen, um gewisse Schwierigkeiten zu transformieren. Sich hinsetzen mit dem Entschluss zu meditieren bedeutet gutes Karma — und das lässt ein gutes Gefühl aufsteigen. Ob das Meditieren allerdings funktioniert, ist eine andere Sache. Wenn man sich aber darüber ärgert, falls es nicht gut klappt, ist dies schlechtes Karma, und man hat ein unangenehmes Gefühl. Karma und seine Wirkungen sind ein ständiger Wechselvorgang, der sich in uns abspielt, und es braucht nichts weiter als ein wenig Achtsamkeit, um das zu erkennen. Karma ist das einzige, was uns wirklich gehört, und es hat nichts mit Belohnung oder Strafe zu tun. Es ist ein unpersönlicher Vorgang, der weiter nichts enthält als Ursache und Wirkung. Die Ursache erzeugt die Wirkung; welche Person dazwischensteht, ist vollkommen gleichgültig. Das Leben ist kein Lotteriespiel. Es ist ein Universum voller Ursache und Wirkung. Wäre es ein Lotteriespiel, wo einer das große Los gewinnen kann und der andere nicht, wäre ja jede Bemühung unsererseits zwecklos.
Heutzutage interessieren sich immer mehr Menschen für frühere und auch künftige Leben. Doch künftige Leben können wir nicht greifbar machen — sie sind nichts weiter als Spekulation und Hoffnung und haben auch keinerlei Einfluss darauf, was wir heute sind. Frühere Leben, durch die wir gegangen sind, sind ganz unpersönlich. Denn im Grunde ist unser «Ich» von unserem Bewusstsein hervorgebracht und existiert in Wirklichkeit gar nicht. Daher kann jemand einem früheren Leben, und jemand, der jetzt auf der Welt ist, nie die gleiche Person sein. Was zur Wiedergeburt kommt, ist Karma; das ist ein ganz unpersönlicher Vorgang.
Frühere Leben und das damit verbundene Karma, was für viele so mysteriös und interessant ist, sind an sich belanglos. Denn wenn wir so weit entwickelt sind, dass uns das Wissen um frühere Leben nicht mehr schaden kann, dann werden wir auch – wenn wir uns dafür interessieren – unsere früheren Geburten erkennen können. Solange wir aber noch nicht so weit entwickelt sind, dass wir sie selbst erkennen können, haben wir genug Leid in diesem Leben und brauchen nicht noch das Leid von anderen Leben darauf zu häufen oder uns Phantasien hinzugeben, wer wir einmal gewesen sind. Denn es waren ja nicht wir. Es war nichts weiter, als dass das Karma eines Wesens sich wie ein roter Faden durch dessen Leben hindurchgezogen hat bis zu der Geburt eines anderen Wesens. Der Buddha hat gesagt, zu glauben, dass derjenige, der das Karma macht, und derjenige, der die Resultate bekommt, derselbe sei, sei eine falsche Ansicht. Dass er ein anderer sei, sei auch eine falsche Ansicht. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Es kann unmöglich derselbe sein, ist aber auch kein ganz anderer, weil durch das Karma eine Kontinuität gegeben ist. (Ayya Khema)