Meditation über Freunde
Aus dem Buch von Akong Rinpoche „Den Tiger zähmen
Das Thema dieser Übung ist es, Anhaftungen besser zu verstehen. An einigen Menschen und Dingen hängen wir so sehr, dass es uns schwerfällt, zwischen ihnen und uns zu unterscheiden. Diese Übung hilft uns auch, unsere Freunde besser zu verstehen. Grundlage dafür ist das, was wir über sie wissen, und nicht, was wir von ihnen wollen. In der Austauschübung geben wir alles, was wir über uns selbst wissen, und sind dadurch möglicherweise eher bereit und in der Lage, uns denen, die uns nahestehen, mitzuteilen und ihnen etwas zu geben.
In dieser wie auch in allen anderen Übungen ist eine positive Motivation von entscheidender Bedeutung. Das Austauschen hilft uns dabei, uns und unsere Freunde besser zu verstehen und dadurch mehr Mitgefühl zu empfinden und entsprechend zu handeln. Wir wiederholen sonst vielleicht unaufhörlich negative Verhaltensweisen, die von unserem egoistischen und einseitigen Standpunkt ausgehen.
Die Übung
- 1. Sitzung — Projektion
Denkt an einen Menschen, an dem ihr sehr hängt — jemanden, mit dem ihr sehr gerne zusammen seid, dem ihr euch nahe fühlt — ein Elternteil, Ehefrau, Ehemann, Freund, Freundin, ein geliebter Mensch, ein Kind oder eine andere euch nahestehende Person. Seht diesen Menschen vor euch und spürt vor allem, dass er wirklich da ist. Lasst euch für diese Gedanken und diese Projektion genügend Zeit, damit vor euch ein klares Bild von diesem Menschen und ein deutliches Gefühl für seine Anwesenheit entsteht. - Macht das etwa zehn bis fünfzehn Minuten lang und legt dann eine kurze Pause ein.
- Sitzung — Austausch
Stellt euch beim Einatmen vor, dass ihr die Person, die vor euch sitzt, in euch hineinatmet. Beim Ausatmen atmet ihr euch selbst in diese Person hinein. Eure jeweilige äußere Erscheinung bleibt unverändert, aber nach und nach werden die Inhalte ausgetauscht. Beim Ausatmen fließen allmählich all eure Gedanken, Gefühle, Empfindungen und Wünsche in diesen Menschen hinein, und beim Einatmen nehmt ihr seine Gedanken und Gefühle auf. Es muss nicht bei jedem Atemzug ein Austausch stattfinden. Versucht, das Hin-und Herfließen so natürlich und leicht wie möglich geschehen zu lassen — alles, was auftaucht, wird aufgenommen oder abgegeben, weder wird es zensiert noch strukturiert. - Macht diese Übung eine halbe Stunde lang. Am Ende der Sitzung bleibt es euch überlassen, ob ihr das Gefühl beibehaltet, ihr wärt dieser Mensch, oder ob ihr zu euren eigenen Gefühlen zurückkehrt. Auf jedem Fall solltet ihr das Verständnis für diesen Menschen bewahren.
Ratschlag von Akong Rinpoche
Macht diese Meditation einmal täglich für fünfundvierzig Minuten und zwar drei bis vier Wochen lang. Im Lauf dieser Zeit solltet ihr euch in der Übung auf verschiedene euch nahestehende Menschen konzentrieren.