Kagyu Samye Dzong Kirchheim e.V.

Über Dankbarkeit

von Drupon Rinpoche · Thrangu Sekhar Retreat Center, Nepal, 12 April 2020 

Gib dein Bestes, um diejenigen nicht zu enttäuschen, die dich lieben, für dich sorgen, die dir vertrauen und das Beste für dich wollen. Versuche dein Bestes, um ihre Freundlichkeit zurückzuzahlen.

Zu erkennen, wer gut zu einem war, ist das Merkmal eines reifen und intelligenten Menschen. Es nicht zu erkennen, ist ein Zeichen von Dummheit und Unreife. Es gibt keinen schlechteren Menschentyp als denjenigen, der nicht gut mit denen umgehen kann, die freundlich zu uns waren. Und alle Ideen, die ein solcher Mensch über das Praktizieren des Dharma haben könnte, sind trügerische Vorstellungen. Aus weltlicher Sicht gibt es niemanden, der freundlicher zu uns ist, als unsere Eltern. Sie sind bei unserer Erziehung vielleicht nicht sehr geschickt oder klug vorgegangen, trotzdem liebt uns niemand so, wie unsere Eltern. Würde es etwas Dauerhaftes auf der Welt geben, wäre es die Liebe unserer Eltern zu uns. Betrachten wir die Situation wirklich ehrlich: ist es nicht seltsam, wie wir all unsere Liebe einem Fremden widmen, den wir nie zuvor gekannt haben, der nichts für uns getan hat, aber für den wir unsere lieben Eltern zurücklassen und vergessen?

Wir müssen uns fragen, was wir nach all dem, was unsere Eltern für uns getan und für uns geopfert haben, für sie tun! Als wir hilflos und völlig von anderen abhängig waren, um zu überleben, wer war für uns da? Wer war für uns da, als wir nichts zu bieten hatten, außer Schreien, Tränen und schmutzigen Windeln? Wir können diese Menschen nicht vergessen, besonders, wenn sie uns am dringendsten brauchen – wenn sie alt und einsam sind. Wir können nicht vergessen, wie unsere Mutter uns gefüttert, gewaschen, mit uns gespielt, uns unterrichtet, uns an der Hand gehalten und mit uns gekuschelt hat. Nicht nur ein- oder zweimal, oder nur ein oder zwei Wochen lang, sondern viele Jahre, Tag für Tag. Wir halten es für so selbstverständlich, dass wir uns kaum daran erinnern können. Ist es nicht das, was uns zu anständigen und fähigen Menschen macht, dass wir dankbar und verantwortungsbewusst sind, um die Freundlichkeit zurückzuzahlen, die uns unsere Eltern, Geschwister, Lehrer und die Gesellschaft entgegengebracht haben? Dies ist besonders wichtig für uns Buddhisten, weil jede Praxis des größeren Fahrzeugs (Mahayana) auf der Fähigkeit beruht, Dankbarkeit und Wertschätzung zu empfinden und auszudrücken.

Die Freundlichkeit der Menschen zurückzugeben, bedeutet nicht, dass wir nur versuchen, sie gut zu behandeln, sondern dass wir das, was die Menschen uns gegeben haben – seien es Fähigkeiten, Wissen oder Resourcen – nutzen, um wiederum anderen Menschen zu helfen, sich selbst zu verbessern und diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Das wird das, was andere für uns getan haben, außerordentlich bedeutungsvoll machen.

Speziell auf den Dharma bezogen, heißt das, dass es niemanden gibt, der freundlicher zu uns ist, als unsere Lamas. Wenn Du mich zum Beispiel als deinen Lama ansiehst, denke nicht, dass es eine gute Möglichkeit ist, mir Geld oder andere materielle Dinge zu geben, um die Freundlichkeit zurückzuzahlen, die ich gezeigt habe. Versuche stattdessen zu verstehen, wie ich arbeite, was mir wichtig ist, welche Ziele ich habe, und versuche dann, Dich auf eine Weise zu verhalten, die diesen Werten und Zielen entspricht. Auf diese Weise können wir gemeinsam etwas auf der Welt hinterlassen, das unseren Eltern aus vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Leben zugute kommt – und das bedeutet, allen Lebewesen.

  • Teaching angelegt von Stephan
  • letzte Bearbeitung am: 21. Juli 2024