Gedanken zu Samsara
Aus: Dilgo Khyentse – The Heart Treasure of the Enlightened Ones
Samsara ist kein anderer Ort, an den wir uns begeben oder ein Ort, den wir verlassen können, sondern der Zustand unseres Geistes. Samsara ist die Angst, dass wir erleben müssen, was uns Schwierigkeiten und Angst macht, es ist all unser Anhaften, all unsere Abneigung.
Die fünf störenden Gefühle [Kleshas] machen Samsara aus:
Anhaftung, Gier, Suchtverhalten; Abneigung, Wut, Hass und Groll; Unwissenheit, Dumpfheit, Depression; Eifersucht, Neid, Konkurrenz; Stolz, Überheblichkeit, Einsamkeit.
Man könnte also sagen, dass Samsara die Zusammenfassung aller unbefriedigenden Zustände ist, in denen wir Menschen leben. Sie sind abhängig von unseren sich ständig verändernden Bedürfnissen, Stimmungen, Gefühlen, Erlebnissen, die wir nicht unter Kontrolle haben, und die uns hin und her wirbeln im unaufhörlichen Auf und Ab des Lebens. Wenn wir uns aber nicht mit dieser Realität befassen, bleiben wir in Samsara gefangen! Meditation mit einem friedlichen Geist allein ändert an unserer Situation nichts, wohl aber das genaue Hinsehen und die Reflexion, denn diese können als Basis für eine Veränderung dienen. Statt die Kleshas zu unterdrücken, sollten wir sie genau untersuchen, und versuchen, ihre Auswirkungen auf uns und andere zu erkennen. Nur wenn wir die störenden Gefühle kennen, können wir zu den geeigneten Gegenmitteln greifen. Und so gesehen sind die Kleshas in ihrer Essenz auch Weisheit.
Durch die Erkenntnis der Geistesgifte und der Arbeit damit, können wir das Leid an der Wurzel abtrennen.
„Nur ein Buddha kann zählen, wie häufig wir im anfangslosen Samsara wiedergeboren wurden, und nur ein Buddha kann sagen, wann Samsara seinen Anfang nahm. […] Während all dieser unzähligen Leben hat alles, was du unternommen hast, dein Leiden nur weiterhin fortgesetzt, ohne dich der Befreiung und wahrem, dauerhaftem Glück einen Zentimeter näherzubringen. Warum? Weil alle deine Taten bisher schädlich, egoistisch, bestenfalls nutzlos waren. Lebewesen sind ständig beschäftigt. Wir Menschen sind ständig damit beschäftigt, miteinander zu wetteifern, Dinge zu verkaufen, zu kaufen, zu machen, aufzubauen, zu zerstören. Vögel sind andauernd beschäftigt damit, Nester zu bauen, Eier auszubrüten, Küken zu füttern. Bienen sind immer damit beschäftigt, Nektar zu sammeln, Honig zu machen.
Andere Tiere sind immerzu damit beschäftigt, zu fressen, zu jagen, nach Gefahren Ausschau zu halten, ihre Jungen aufzuziehen. Je mehr du machst, umso mehr hast du zu tun, und umso mehr vervielfachen sich deine Probleme und Leiden – aber das letztendliche Ergebnis deiner harten Arbeit und deiner Mühen wird nicht länger Bestand haben als eine Zeichnung, die man mit dem Finger auf Wasser malt. Wenn du das Scheitern und die Nutzlosigkeit von so vielen bedeutungslosen Handlungen erkennst, wird klar, dass das einzig lohnenswerte Unterfangen die Dharmapraxis ist.“