Umweltschutz und Mitgefühl
von S. H. XVII Karmapa Ogyen Trinley Dorje
Die natürliche Umwelt, in der wir leben, benötigt unsere Aufmerksamkeit in besonderer Weise. Suchen wir nach Aktionsfeldern für unser soziales Handeln, ist der Umweltschutz der direkteste Weg. Es entstand aus der emotionalen Energie der Gier eine für unseren Planeten so verheerende globale Konsumkultur, die sich immer mehr in unsere Herzen schleicht. Menschliche Geisteshaltungen und Gefühle sind Ursachen für eine umfassende Zerstörung unserer natürlichen Umwelt. Deshalb schützen wir am effektivsten die Umwelt, indem wir unsere Einstellungen und Gefühle verändern und Sorge für alle Lebewesen in der Welt entwickeln.
Die Welt, in der ich aufwuchs, war vollkommen von modernen Annehmlichkeiten abgeschnitten – keine Elektrizität, keine Autos, noch nicht einmal Fahrräder. Es war einer jener Orte, wo das Auftauchen von Süßigkeiten bereits große Aufregung verursachte. Wenn man als Kind drei Mal im Jahr eine Süßigkeit erhaschen konnte, war es ein gutes Jahr. Abgesehen von den wenigen Verpackungen dieser Süßigkeiten sahen wir niemals etwas aus Plastik. So mussten wir uns keine Gedanken über die Müllentsorgung machen. Es gab praktisch nichts, das nicht kompostierbar gewesen wäre.
Ich trage seitdem das Bewusstsein von Respekt gegenüber der Natur in mir. Es stärkt in mir das Gefühl der Fürsorge und der Verbundenheit mit der Natur. Als ich vier oder fünf Jahre alt war, begann eine Wasserquelle in unserem Tal auszutrocknen. Das war für die Nomaden, die in dieser trockenen Region große Herden zu den Wasserplätzen treiben, ein ernstes Problem mit großen Auswirkungen auf ihr Leben. Die Menschen waren überzeugt, dass das Pflanzen von Bäumen der Bewahrung von Wasserquellen dient. Die Wissenschaft sagt heute das Gleiche. Sie hat ihr Wissen den alten Weisheiten entnommen.
Ich pflanzte nahe dieser versiegenden Quelle einen Baum. Klein, wie ich war, übernahm mein Vater das meiste der Arbeit, doch ich erinnere mich daran, Gebete für all jene Lebewesen gesprochen zu haben, die vom Wasser abhängen. Unter den Höhenbedingungen dieser Region mit ihrem rauen Klima, ist es für Bäume schwer zu überleben, doch dieser Baum überlebte, und mit ihm auch unsere Quelle. Ich glaube, in jener Zeit wurde mein Wunsch geboren, für die Natur Sorge zu tragen.
Quelle: S. H. XVII Karmapa Ogyen Trinley Dorje, Das Edle Herz – Die Welt von innen verändern)