Inspirationen zum Umgang mit Vergänglichkeit und unseren Emotionen
Im Buddhismus wird gelehrt, dass alles vergänglich ist und dass nichts wirklich gleich bleibt. Dazu gehört zu erkennen, dass sich alles verändert, so wie sich unsere Stimmungen von Moment zu Moment verändern – in einem Moment können wir zufrieden und glücklich sein, im nächsten können wir wütend sein und es geht uns nicht gut, wir sind enttäuscht. Genauso kann sich unsere Position, die wir im Beruf oder im Leben haben, verändern. Wir können arm sein und wir werden reich oder auch umgekehrt. Wie gesagt, im Buddhismus wird uns gelehrt, dass alles veränderlich ist. Wir bekommen Dinge, erreichen Dinge und wir verlieren diese auch wieder. Darum wäre es gut, keine Zeit und Energie dafür zu verschwenden, uns um bedeutungslose Dinge zu sorgen, sondern unser Leben mit bedeutungsvollen Dingen zu bereichern.
Wenn ich anderen etwas rate, dann sagen sie oft, dass es zu schwierig sei, was ich da von ihnen verlange. Sie seien auch zu beschäftigt mit ihrem Beruf und ihrer Familie, um jetzt z. B. zu meditieren oder Achtsamkeit zu entwickeln oder sich mit solchen Themen zu beschäftigen.
Wenn das, was wir jetzt tun, zum Beispiel unsere zu intensive Beschäftigung mit Beruf und Familie, nur dazu führt, dass es uns schlecht geht, dass wir zusammenbrechen, dass wir überlastet sind, dann macht es keinen Sinn und es wäre wirklich besser, wenn wir lernen zu meditieren und lernen, unseren Geist zu beruhigen, und uns mit den wesentlichen Dingen im Leben zu beschäftigen. Dazu gehört, dass wir unsere Gedanken zähmen, dass wir unseren Geist und das, was in diesem Geist ständig abläuft, zähmen, so dass ihr nicht zu mir kommen müsst und sagen: „Lama Yeshe, ich habe so viele Gedanken und ich habe diese starken Gefühle, die in mir entstehen.“
Wir müssen damit anfangen, nachzuforschen, wo denn diese Gefühle und Gedanken herkommen, wie sie entstanden sind. Wir müssen lernen zu erkennen, dass zuerst die Gedanken entstehen und diese Gedanken dann bestimmte Gefühle hervorrufen, die sehr machtvoll und kraftvoll sein können.
Wir sollten falsche Sichtweisen loslassen und damit aufhören, uns selbst ständig zu bewerten oder auch andere zu bewerten oder einzuordnen. Wir sollten andere mehr als einen ‚Spiegel‘ betrachten, damit, wenn wir einen anderen nicht mögen oder eine Abneigung haben, wir erkennen, dass dies wirklich an unserem Geist und nicht an der anderen Person liegt. Im Buddhismus lernen wir auch, nicht festzuhalten und jede Anhaftung aufzugeben. Es ist gut, den Geist zu erforschen und herauszufinden, was dieser ‚Geist‘ ist. Wir versuchen ihn zu erkennen, indem wir z.B. darüber nachdenken, wo der Geist, von dem wir denken, dass er uns jetzt so viele Probleme bereitet, herkommt und wo er wirklich ist. Denn wir denken, dass all diese Gedanken im Geist entstehen und dass er uns geistig krank macht. Wenn wir durch unser Erforschen keinen Geist finden können, wie sollen wir dann geistige Probleme haben. Wenn wir uns vorstellen, dass der Geist im Herzen ist, wie ist es dann aber bei Menschen, die einen Herzschrittmacher haben. Denn obwohl ihr Herz mit einer Maschine betrieben wird, sagen sie, sie hätten einen Geist.
Auch die Wissenschaftler haben versucht herauszufinden, was der Geist ist und wo man ihn im Körper finden kann. Aber auch sie konnten nichts finden. Wenn also der Geist nicht existiert, wie können dann unsere geistigen Probleme existieren? Wenn nichts da ist, wie sollen wir dann eigentlich geistig krank sein? Das zu erforschen kann dazu führen, dass wir erkennen, dass alles von unserem Ego erschaffen ist und wir ständig bemüht sind, dieses Ego aufrecht zu erhalten und nicht wollen, dass es von anderen irgendwie in Frage gestellt oder beleidigt wird. Wir fangen sofort an, darauf zu reagieren. Es hilft zu erkennen, dass dieses Ego eigentlich ohne Grundlage ist, dass es eigentlich gar nicht besteht.
Ich habe am Anfang gesagt, dass viele Menschen geistige und emotionale Probleme haben und daran auch festhalten und nicht loslassen können. Es wäre gut, sich klarzumachen, dass wir ohnehin nicht wissen, was morgen sein wird, und dass es nichts nützt, sich darüber Sorgen zu machen. Für viele, die emotionale Probleme haben, gilt, dass sie irgendwann im Leben etwas Schlimmes erlebt haben, was sie nicht loslassen können. Vielleicht hatten sie Probleme durch ihren Vater, ihre Mutter oder durch ihre Familie, vielleicht haben diese sie schlecht behandelt. Nun tun sie sich selber Leid, aber es wäre gut, sich davon zu befreien und zu lernen, wie man das überwinden oder wie man das loslassen kann. Dabei kann einem helfen, dass man Mitgefühl für die Menschen, die einem geschadet haben und die einem Leiden verursacht haben, entwickelt. Es kann auch helfen, dass man darüber nachdenkt, dass diese Menschen es nicht anders gewusst haben. Sie sind einfach einer Linie gefolgt und haben die Art und Weise, wie sie von ihren Eltern behandelt wurden, unreflektiert weitergegeben. Es wäre besser, den Menschen zu vergeben und sich durch dieses Vergeben von so alten Dingen, von denen man nicht loskommt, zu befreien.
Wenn es um den Partner geht, der uns jetzt Leiden verursacht, muss man sich klarmachen, dass es nicht an dem Partner liegt, sondern an der Anhaftung an ihn, an den eigenen Erwartungen an ihn. Wenn ich verletzt werde, dann liegt es mehr an mir und nicht an dem anderen. Es liegt daran, wie sein Verhalten mich beeinflusst, wie ich es empfinde. Es ist wichtig zu erkennen, dass wir eine Wahl haben. Dazu gehört auch, dass wir uns befreien können von Menschen und Situationen, die uns verfolgen, die uns nicht gut tun. Wir können uns vorwärts entwickeln. Wollen wir uns weiterentwickeln, müssen wir loslassen und vergeben. Das ist wirklich der Schlüssel dafür.
Quelle: Vortrag in Kirchheim, 11.2.2011