Kagyu Samye Dzong Kirchheim e.V.

Das Erzeugen des Erleuchtungsgeistes


Den Geist in den vier grenzenlosen Eigenschaften üben

 Wir beginnen mit Unparteilichkeit, denn, um wirklich grenzenlos zu sein, muss diese Haltung alle Wesen einschließen und darf sich nicht nur auf jene, die uns nahestehen oder uns wichtig sind, beziehen. Unser Ziel ist, dass sich alle Liebe, alles Mitgefühl und die Mitfreude am Wohl der anderen, die wir entwickeln, ausnahmslos auf alle Wesen beziehen.   Unparteilichkeit (tibet.: tang nyom) – Mit grenzenloser Unparteilichkeit ist nicht gemeint, Freunde und Feinde als ein und dasselbe anzusehen, ohne besonderes Mitgefühl, oder Abneigung. Das wäre leblose Unparteilichkeit, die weder schadet noch Segen bringt.

Das Bild, das wir verwenden, um wahre Unparteilichkeit zu beschreiben, ist das eines Festmahls, zu dem ein großer Weiser einlädt. Wenn die großen Rishis der Vergangenheit ein Fest gaben, pflegten sie die unterschiedlichsten Menschen einzuladen, Hoch- und Niedrigstehende, Mächtige und Arme, Gute und Böse, außergewöhnliche und gewöhnliche Menschen, ohne Unterschiede irgendwelcher Art zu machen. In ähnlicher Weise sollte unsere Einstellung zu allen Wesen in der grenzenlosen Weite des Universums ein umfassendes Mitgefühl sein, das niemanden ausschließt. Übt euren Geist so lange, bis ihr diesen Zustand unbeschränkter Unparteilichkeit erreicht habt.

Patrul Rinpoche – Die Worte meines vollendeten Lehrers, Seite 262  

Patrul Rinpoche über die vier grenzenlosen Eigenschaften von Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und Unparteilichkeit

Die vier grenzenlosen Eigenschaften werden unweigerlich zur Ursache dafür, dass wahres Bodhichitta in euch entsteht. Darum müsst ihr euch so lange darin üben, bis sie tief in euch verwurzelt sind. Um es einfach auszudrücken, könnte man die vier grenzenlosen Eigenschaften mit dem Begriff „ein gutes Herz“ zusammenfassen. Atisha betonte immer wieder, wie wichtig es sei, ein gutes Herz zu haben. Anstatt die Leute zu fragen: „Wie geht’s?“, fragte er sie: „Hast du ein gutes Herz gehabt?“ Wenn er lehrte, fügte er am Schluss immer hinzu: „Habt ein gutes Herz!“

Übt euch darin, unter allen Umständen ein gutes Herz zu haben.   Darum meditiert ohne Unterlass diese „Vier Unermesslichen Qualitäten“, die Essenz des Mahayana-Weges: Mögen alle Wesen glücklich sein, und die Ursachen des Glücks besitzen. (Liebe) Mögen sie frei sei von Leiden und den Ursachen des Leidens. (Mitgefühl) Mögen sie von wahrem Glück, das ohne Leid ist, nicht getrennt sein. (Mitfreude) Mögen sie in großem Gleichmut verweilen, frei von Anhaftung und Abneigung. (Unparteilichkeit)      

Das Erzeugen des Erleuchtungsgeistes – Wurzel des Mahayana

Es gibt zwei Arten von Bodhicitta oder Erleuchtungsgeist: relatives und absolutes Bodhicitta. Da es sich bei diesen um die Grundlage der »vierundachtzigtausend Lehrformen des Dharma« handelt, ist es schwierig, eine kurze Erklärung zu geben. Kurz gesagt, relatives Bodhicitta ist im wesentlichen Mitgefühl.

Absolutes Bodhicitta ist im wesentlichen Einsicht in die wahre Natur aller Phänomene. Die Ausbildung der zweiten Form ist von der ersten abhängig. Phadampa sagte: »Ein Fisch wird sich ins Wasser, aber nicht auf trockenes Land flüchten. Ohne Mitgefühl wird keine Erkenntnis aufsteigen.« Ebenso ist absolutes Bodhicitta, das Erkennen der innewohnenden, wahren Natur aller Dinge, abhängig von relativem Bodhicitta. Ein Mensch, der die eigentliche Natur der Dinge noch nicht erkannt, aber die Kraft wirklichen Mitgefühls zum Erwachen gebracht hat, wird durchaus dazu fähig, dass er mit Körper, Rede und Geist zum Wohle anderer wirkt. Jamgon Kongtrul – Das Licht der Gewissheit

Relatives Bodhichitta wiederum hat auch zwei Aspekte: die Absicht und die Umsetzung. Die Absicht Shântideva sagt in „Eintritt in das Leben zur Erleuchtung“ über diese beiden Aspekte des Erleuchtungsgeistes: „Sich auf den Weg machen zu wollen und tatsächlich aufzubrechen, das wird als der Unterschied verstanden. So muss der Weise und Gelehrte diesen Unterschied verstehen, der eine geordnete Abfolge darstellt.“ Nehmen wir als Beispiel eine Reise nach Lhasa. Der erste Schritt dazu ist die Absicht „Ich werde nach Lhasa gehen“. Dem entsprechend ist der anfängliche Gedanke „Ich werde alles tun, was den Wesen dazu verhilft, den Zustand vollkommener Buddhaschaft zu erlangen“ der Aspekt der Absicht, Bodhichitta zu erzeugen.

Die Umsetzung

Als nächstes kümmern wir uns darum, die notwendigen Vorräte und Transportmittel zu besorgen, um uns dann auf den Weg zu machen und die Reise nach Lhasa tatsächlich anzutreten. In ähnlicher Weise entschließen wir uns auch, Freigebigkeit zu üben, die Disziplin einzuhalten, Toleranz zu entwickelt, Eifer zu entfalten, in meditativer Versenkung zu verweilen und unseren Geist in unterscheidender Weisheit zu schulen, um alle Wesen auf Ebene vollkommener Buddhaschaft zu bringen. Wir setzen diesen Weg der sechs transzendenten Weisheiten, oder Paramitas, in die Praxis um, was der tatsächlichen Reise entspricht und der Aspekt des Umsetzens von Bodhichitta ist.

Absolutes Bodhichitta

Der Aspekt der Absicht und der Umsetzung sind beide relatives Bodhichitta. Durch langes Üben in relativem Bodhichitta auf dem Pfad des Anhäufens und des Vereinens, erreichen wir dann schließlich den Pfad des Sehens. Hier erleben wir die wirkliche Erfahrung der natürlichen Seinsweise aller Dinge. Dies ist die Weisheit der Leerheit. Absolutes Bodhichita ist in uns erwacht. Patrul Rinpoche – Die Worte meines vollendeten Lehrers 

 Das Erzeugen des Erleuchtungsgeistes

Der Erleuchtungsgeist ist das Herz der Praxis von Sutra und Tantra. Er ist eine einfache Praxis. Mit Bodhicitta ist alles vollständig. Ohne Bodhicitta bleibt alles unvollständig

Dilgo Khyentse Rinpoche

Darum machen wir am Anfang jeder Praxis zum Entwickeln der richtigen Motivation, das bedeutet zum Entwickeln des Erleuchtungsgeistes, das Zufluchts- und Bodhicittagebet.

Zufluchtsgebet

Ich nehme Zuflucht zu Buddha, Dharma, Sangha bis zum Erreichen der Erleuchtung. Durch die Praxis von den sechs Vollkommenheiten werde ich Erleuchtung erlangen, zum Wohle aller Wesen.  

Die Motivation, anderen zu helfen, ist das eigentliche Anliegen sowohl der Zufluchtnahme als auch des Bodhichitta.  Wenn vom Zufluchtnehmen die Rede ist, sollte man sich allerdings nicht einfach ein Ritual vorstellen, in dessen Verlauf jemand formell bei einem Meister Zuflucht nimmt. Sondern man beginnt, das eigene geistige Wohl durch die drei Kostbarkeiten (Buddha, Dharma und Sangha) zu entdecken und zu entwickeln. Das ist die wahre Bedeutung des Zufluchtnehmens.  

Wenn wir in diesem Zusammenhang von Buddha sprechen, sollten wir unser Verständnis dieses Begriffes nicht auf die historische Persönlichkeit beschränken, die in Indien auftrat und eine bestimmte spirituelle Lebensart lehrte. Vielmehr soll unser Verständnis von Buddhaschaft auf Stufen spiritueller Erkenntnis und Verwirklichung beruhen. Buddhaschaft ist ein Zustand des Geistes, und deshalb dreht sich in der buddhistischen Praxis alles um die Entwicklung unseres Geistes. Es erhebt sich die Frage, wie ein Buddha entsteht. Wie erlangt man Erleuchtung? Wenn wir über Buddhaschaft nachdenken, taucht zwangsläufig die Frage auf, ob es für einen Menschen wie uns, überhaupt möglich ist, einen solchen Zustand zu erlangen, Erleuchtung zu erlangen, ein Buddha zu werden. Durch ein wachsendes Verständnis des Dharma, also der Lehre Buddhas, können wir Buddhaschaft und Erleuchtung besser verstehen.

Aber wenn es den Dharma gibt, gibt es auch die Sangha, alle jene, die die Richtigkeit dieses Weges selbst praktiziert und erkannt haben, sich auf dem Weg des Dharma befinden und ihn verwirklicht haben. Und wenn es im Sangha solche gibt, die einen Geisteszustand erlangt haben, in dem wenigstens die groben Schichten von Negativität und leidvollen Emotionen überwunden sind, dann können wir uns vorstellen, dass es vielleicht auch für uns möglich ist, einen Zustand zu erlangen, in dem Negativität und leidvolle Emotionen vollständig beseitigt sind. Ein solcher Zustand wird als Buddhaschaft oder Erleuchtung bezeichnet.  XIV. Dalai Lama     

Also ist Erleuchtungsgeist die Geisteshaltung, Einstellung oder Überzeugung, mit der wir daran arbeiten, Mitgefühl, Herzensgüte, Fürsorge für andere zu entwickeln. Dieser Erleuchtungsgeist ist das wunderbarste, das wir in uns stärken und entwickeln können Es ist eine Ausrichtung, ein Ziel im Leben, das uns größtes Glück, Zufriedenheit und Erfüllung bringen kann. Dies mag sich einfach anhören, aber sobald wir etwas tiefer überlegen, merken wir, wie vielschichtig Mitgefühl etc. sind, und wenn wir aufmerksam hinsehen, merken wir vor allem, wie sehr sich in unserem Leben alles um uns selbst dreht, wie schwer es uns fällt, weniger das eigene Wohl und mehr das Wohl der anderen zu verfolgen.

Theoretisch ist uns vieles klar, aber praktisch die eigene Sichtweise loszulassen, Unangenehmes in Kauf zu nehmen, damit es anderen besser geht, vielleicht sogar besser als uns selbst, ist etwas anderes. Darum werden wir auch immer wieder daran erinnert, uns bewußt zu machen, warum wir am Anfang jeden Gebets, jeder Meditation oder Praxis das Zufluchtsgebet machen. Denn die Frage ist: „Prakiziere ich wirklich dafür, so schnell wie möglich Erleuchtung zu erlangen, um eben dadurch in der Lage zu sein, anderen mit meinem größtmöglichen Potential zu helfen, oder geht es mir eigentlich, wenn ich ehrlich bin, doch nur darum, selbst zufriedener zu werden, indem ich meine Probleme, Schwierigkeiten überwinde, um dann wie gewohnt, weiterzumachen? Will ich mich wirklich verändern oder spreche ich die Worte, aber eigentlich will ich so bleiben, wie ich bin, soll alles so bleiben, wie es ist?“ Es fängt alles in unseren Geist an, und mit unserer Bodhicitta-Motivation.  

Wir können uns nicht von nichts und von niemandem befreien, bis wir uns nicht selbst befreit haben.

Tai Situpa Rinpoche
Bodhisattva Gebet
Mögen alle Wesen glücklich sein und die Ursachen von Glück erleben.
Mögen sie frei sein von Leid und den Ursachen von Leid.
Mögen sie nie von wahrem Glück getrennt sein, das frei ist von allem Leid.
Mögen sie im Zustand der Unparteilichkeit verweilen, frei von Anhaftung und Abneigung.

Die vier Unermesslichen

Acharya Choky Lhamo von Thrangu Tara Abbey Nonnenkloster

 Die Vier Unermesslichen Qualitäten sind:

Die unermessliche Herzensgüte ist ein Geist, der sich wünscht, dass alle fühlenden Wesen Glück und die Ursachen von Glück erleben. Das unermessliche Mitgefühl ist ein Geist, der wünscht, dass alle fühlenden Wesen vom Leiden und seinen Ursachen getrennt sind. Die unermessliche Freude ist ein Geist, der sich am Wohlergehen der anderen Wesen erfreut. Unermesslicher Gleichmut ist eine Geisteshaltung in dem Sinne, dass man nicht an den Nahestehenden hängt und die anderen mit Gleichgültigkeit oder Abneigung betrachtet.

Wir fragen uns nun: Warum werden diese vier als unermesslich bezeichnet?  

Sie werden nicht unermesslich genannt, weil sie so groß sind, sondern weil sie eine grundlegende Qualität haben, nämlich bedingungslos zu sein. Diese Bedingungslosigkeit der Herzensgüte ist das, was sie unermesslich macht. Ebenso sind es bedingungsloses Mitgefühl, bedingungslose Mitfreude und bedingungsloser Gleichmut, die sie unermesslich werden lassen.

Alle fühlenden Wesen besitzen ein gewisses Maß an Herzensgüte und Mitgefühl, aber sie sind nur teilweise entwickelt. Jemand mag Herzensgüte und Mitgefühl für seine Familie haben, aber nicht für andere. Man mag Liebe und Mitgefühl für die Alten haben, aber nicht für die Jungen. Man mag Liebe und Mitgefühl in guten Zeiten haben, aber nicht in schlechten Zeiten. Man mag sich über das Wohlergehen anderer freuen, mit denen man gut auskommt, freut sich aber nicht mit denen, die man als Feinde betrachtet. Aber man muss verstehen, dass es für die Kultivierung der vier Unermesslichen wichtig ist, dass die Herzensgüte, die man erzeugt, unparteiisch sein muss. So lernt man, unparteiische Herzensgüte, unparteiisches Mitgefühl und unparteiische Freude zu kultivieren.  

In der gewöhnlichen Aufzählung der vier Unermesslichen ist Gleichmut die Nummer vier. Aber eigentlich fangen wir mit diesem zuerst an. Deshalb soll man alle fühlenden Wesen einbeziehen, ohne Anhaftung an den Nächsten und ohne Grenzen. Wir befinden uns im Kreislauf der Daseinsexistenzen und haben unzählige Wiedergeburten im Samsara hinter uns. Während dieser Wiedergeburten hatten wir Eltern, die sich um uns kümmerten. Deshalb war jedes fühlende Wesen mindestens einmal unsere Mutter.  

Wir alle, die an die zyklische Existenz im Samsara glauben, müssen also wissen, dass jedes fühlende Wesen irgendwann einmal unsere Mutter war. Unsere Mutter ist jemand, der uns so viel gegeben hat: unseren Körper, der uns gelehrt hat, wie man isst, wie man spricht und wie man lebt.

Wie es in den 8000 Sätzen der Vollkommenheit von Weisheit heißt: “ Die Mutter schenkte uns unseren Körper, die Mutter ging durch Schwierigkeiten, die Mutter schenkte uns das Leben und zeigte uns die Welt.“  

Wir können die Freundlichkeit unserer Mütter nutzen, um die vier Unermesslichen zu kultivieren. Es gibt jedoch keine Regeln, dass man über die fühlenden Wesen reflektieren muss, dass jedes unsere Mutter war, um die Unermesslichen zu kultivieren. Wir können über die Beziehung nachdenken, die wir zu anderen fühlenden Wesen haben. Grundsätzlich müssen wir verstehen, dass wir uns selbst als etwas Unabhängiges betrachten, getrennt von der Umwelt und von anderen fühlenden Wesen. In Wahrheit aber sind wir miteinander verbunden. Unsere Geburt hätte nicht stattgefunden ohne die Beteiligung von anderen fühlenden Wesen.

Ein weiteres Beispiel ist, dass Dharma-Lehren zu bekommen nur durch die Güte und das Mitgefühl der Meister möglich ist. So ist alles, was wir tun, essen, tragen und besitzen, nur durch den Beitrag unzähliger fühlender Wesen möglich. Da wir also mit diesen fühlenden Wesen verbunden sind, ist es uns möglich, unsere gegenseitige Verbindung zu fördern, indem wir ihnen helfen.  

Egal welcher Religion oder Rasse wir angehören, wir sind alle Menschen, die glücklich und frei von Leiden sein wollen. Man muss verstehen, dass alle fühlenden Wesen den gleichen Wunsch nach Glück haben wie wir selbst. Und dieser eine Grund ist mehr als genug, um die vier Unermesslichen zu praktizieren.

Wir können immer Herzensgüte und Mitgefühl kultivieren

Ich denke, die Situation, in der wir uns gerade befinden, ist die beste Zeit, um Liebe und Mitgefühl in uns zu praktizieren oder zu kultivieren. Es ist sehr traurig zu hören und zu wissen, dass viele fühlende Wesen auf der ganzen Welt geistig und körperlich leiden, nicht nur wegen der Pandemie, sondern auch wegen Armut, Flut, Erdbeben, Erdrutschen, Waldbränden und vielem mehr. Ich will damit sagen, dass die fühlenden Wesen leiden und Hilfe brauchen, und wir können ihnen helfen. Wir müssen dies als eine Gelegenheit nutzen, um Herzensgüte und Mitgefühl zu kultivieren.  

Ich denke auch, dass es Menschen gibt, die meinen: „Ich möchte freundlich sein, aber ich habe nicht genug zu bieten und ich brauche selbst Hilfe.“ Aber egal, ob wir uns in einer schlechten oder guten Situation befinden, wir können immer Herzensgüte und Mitgefühl kultivieren. Ich möchte gerne eine Geschichte mit euch teilen. Sie trägt den Titel „Das Fenster“ und zeigt genau, dass wir, egal in welcher Situation wir uns befinden, immer freundlich sein und anderen helfen können.

Also, die Geschichte beginnt mit einem Mann, der einen Unfall hatte und ins Krankenhaus gebracht wurde. Der Arzt sagte ihm, dass seine Wirbelsäule gebrochen sei und es lange dauern könnte, bis er sich erholt. Nach ein paar Tagen wurde er in ein Mehrbettzimmer verlegt, in dem noch ein anderer Mann lag, dessen Bett direkt am Fenster stand. Nach ein paar Tagen erfuhr der Mann, dass der Mann am Fenster jeden Nachmittag eine Stunde lang in seinem Bett aufrecht sitzen durfte, während er selbst die ganze Zeit flach liegend auf seinem Bett verbringen musste.

Die beiden Männer fingen an, sich stundenlang über ihre Familien, Freunde und Jobs zu unterhalten. Und an einem Nachmittag begannen der Mann am Fenster, die schönen Dinge zu beschreiben, die draußen vor dem Fenster passierten. Er beschrieb den Park mit dem schönen See, den Booten im Wasser, den schwimmenden Hunden und den Menschen, die dort mit ihren Familien und Freunden picknickten. Der Mann erholte sich also schneller als der Arzt erwartet hatte, und das alles nur, weil der Mann am Fenster ihm half, geistig bei Kräften zu bleiben.

Doch eines Tages starb der Mann neben dem Fenster. Nach ein paar Tagen war der Mann zwar traurig über den Tod seines Freundes, aber er bat die Krankenschwester, ihn in das Bett neben dem Fenster zu legen. Er wollte sich selbst die schöne Welt ansehen, die sein Freund beschrieben hatte, aber alles, was er sehen konnte, war ein altes, beschädigtes Gebäude. Der Mann fragte die Krankenschwester, wie sein Freund den Park und den See vor dem Fenster so schön beschreiben konnte. Die Krankenschwester antwortete ihm: „Ihr Freund war selbst blind und konnte sogar das alte Gebäude nicht sehen. Vielleicht wollte er Sie ermutigen und Ihnen helfen, glücklich zu bleiben.“  

Egal, in welcher Situation wir uns befinden, ob gut oder schlecht, wir können immer freundlich sein und uns bemühen anderen zu helfen, wenn wir wollen. Es mag schwierig sein, Herzensgüte und Mitgefühl zu kultivieren, aber man sagt, dass es nichts gibt, was nicht durch Übung leichter wird. Lasst uns beschließen, ein bisschen gütiger zu sein als gestern und diese Güte jeden Tag ein bisschen mehr zu erweitern.          

Patrul Rinpoche über die vier grenzenlosen Eigenschaften von Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und Unparteilichkeit

Die vier grenzenlosen Eigenschaften werden unweigerlich zur Ursache dafür, dass wahres Bodhichitta in euch entsteht. Darum müsst ihr euch so lange darin üben, bis sie tief in euch verwurzelt sind. Um es einfach auszudrücken, könnte man die vier grenzenlosen Eigenschaften mit dem Begriff „ein gutes Herz“ zusammenfassen.

Atisha betonte immer wieder, wie wichtig es sei, ein gutes Herz zu haben.

Anstatt die Leute zu fragen: „Wie geht’s?“, fragte er sie: „Hast du ein gutes Herz gehabt?“ Wenn er lehrte, fügte er am Schluss immer hinzu: „Habt ein gutes Herz!“ Übt euch darin, unter allen Umständen ein gutes Herz zu haben.

Darum meditiert ohne Unterlass diese „Vier Unermesslichen Qualitäten“, die Essenz des Mahayana-Weges:

Entwicklung von grenzenlosem Mitgefühl

Gedanken von Karmapa Ogyen Trinley Dorje

„In der buddhistischen Praxis gibt es verschiedene Praktiken von Mitgefühl und Herzensgüte für alle Lebewesen. In ihnen benutzen wir die Metaphern vom Himmel und den Planeten, den Sternen, der Sonne und dem Mond, um unser Versprechen auszudrücken, mit einem Herzen voller Liebe und Mitgefühl für alle Lebewesen da zu sein. Wir wünschen, dass wir genauso lange wie der offene Raum, wie Sonne und Mond am Himmel existieren, mit einem Herzen voller Herzensgüte und Mitgefühl helfen können und diese Verbindung zwischen uns und allen Wesen bestehen bleibt.  

In meiner eigenen Kontemplation denke ich oft an den Mond als den, der die Liebe bewahrt. Der Mond ist eine Metapher oder ein Symbol für die bleibende Qualität von Liebe und Mitgefühl, die alle Wesen verbinden. Auch wenn man nicht körperlich anwesend ist, können die anderen Wesen in den Himmel schauen, den Mond sehen und durch diese Verbindung sind sie in der Lage, die Liebe zu spüren, die wir für sie empfinden. Wir können gegenseitig die aufrichtige Liebe fühlen, die wir füreinander haben, egal wie weit wir voneinander entfernt sind, egal wieviel Zeit vergangen ist seit dem letzten Zusammentreffen.  

Diese Art der Wunschgebete machen wir in den buddhistischen Praktiken zum Entwickeln von Herzensgüte und Mitgefühl und ich glaube daran, dass diese Wünsche, wenn wir sie mit völlig reiner Motivation formulieren, wirklich einen Effekt haben. Dann ist es nicht länger nur Symbolismus, mit dem man arbeitet, sondern dann ist es wirklich wahrhaftig.“      

Bodhisattva oder Bodhicitta sind Begriffe, die vielen Leuten, die mit buddhistischen Begriffen nicht vertraut sind, fremd sind. Hier eine kurze Erklärung.   Jedes Wesen, dessen Herz erfüllt ist von Liebe und Mitgefühl und das tief und aufrichtig zum Wohle und Nutzen anderer handelt, ohne Sorge um das eigene Wohl, soziale Position, Gewinn, Anerkennung oder Lob, drückt die Haltung eines Bodhisattva aus. Bodhisattvas sind Menschen, die keine andere Motivation als Mitgefühl für ihr Handeln haben.

Diese Haltung wird als Bodhicitta bezeichnet und ist die wesentliche Qualität im Mahayana Buddhismus. Man sagt, Weisheit und Mitgefühl sind wie die Flügel eines Vogels. Beide sind essentiell wichtig, wenn er fliegen möchte.   So wird gelehrt, dass keine Praxis, ganz egal wie tief oder fortgeschritten sie sein mag, uns weiterbringen wird, wenn sie ohne Bodhicitta ausgeführt wird, das heißt ohne die grundlegende Haltung von Liebe und Mitgefühl.  Bodhicitta ist die Elektrizität der spirituellen Praxis, ohne die nichts wirkt und funktioniert. Jemand kann alle Intelligenz und wissenschaftliches Wissen haben, wird aber ohne Liebe und Mitgefühl nie etwas wirklich Nützliches für andere erreichen.   Im Augenblick haben wir sicherlich noch keine perfekte Liebe und Mitgefühl. Dies ist normal, denn wir sind gewöhnliche Menschen. Wir sollten die Entwicklung von Liebe und Mitgefühl als eine Art Lehre betrachten. Wir sollten auch keine Zweifel nähren, ob es möglich ist, grenzenlose Liebe und Mitgefühl zu entwickeln. Dies sind keine Ideen, die außerhalb von uns existieren, sondern sie sind schon in uns latent vorhande Qualitäten.

Mit Methoden, wie der Chenrezig-Praxis oder dem Studieren und Praktizieren des Textes über Die 37 Praktiken eines Bodhisattvas, arbeiten wir stufenweise daran, sie zum Vorschein zu bringen.   Die folgenden vier unermesslichen Gedanken oder Brahmaviharas drücken die Motivation und Wünsche des Bodhisattva zusammengefasst aus und geben uns Anleitung für unseren Weg zur Entwicklung von Liebe und Mitgefühl:   Mögen alle Wesen glücklich sein und die Ursachen von Glück erleben. Mögen sie frei sein von Leiden und den Ursachen von Leiden. Mögen sie Glück erlangen, das jenseits von Leid besteht und in der großen Unparteilichkeit verweilen, jenseits von Anhaftung und Ablehnung, Nähe und Distanz.    

Gesche Sonam Rinchen führt das treffende Beispiel im Vers etwas mehr aus.

Er sagt, wir können den Körper als Gasthaus betrachten und unser Bewusstsein, unseren Geist, als einen Reisenden auf den Straßen der weltlichen Existenz. Reisende bewegen sich von einem Hotel zum nächsten, bleiben einmal länger, einmal kürzer in einem Gasthaus, aber verweilen nie für immer im selben. Immer wieder müssen sie sich von dem Ort, an den sie sich gewöhnt haben, trennen und weiterziehen. Auf dieser Reise können sie nur mitnehmen, was sie an sich tragen können. Wenn unser Reisegepäck so beschränkt ist, wollen wir den Rucksack dann nicht mit wirklich sinnvollen Dingen vollpacken? Da wir bei der Weiterreise aus diesem Leben nichts als das, was wir im Geist entwickelt haben, mit uns nehmen können, sollten wir dafür sorgen, dass so viel Positives, Heilsames wie möglich im „Geistes-Rucksack“ ist. Dies sind Qualitäten wie Herzensgüte, Mitgefühl, Toleranz, Geduld, Großzügigkeit, etc., die wir durch unsere Dharma-Praxis entwickeln.   Nachdenken über Vergänglichkeit, Tod, vergangene und zukünftige Leben soll uns nicht deprimiert und trostlos machen. Wir lernen dadurch die richtigen Prioritäten zu setzen, unsere Zeit nicht mit sinnlosen Beschäftigungen zu verschwenden, sondern jeden Moment dieser wertvollen Lebenszeit wertzuschätzen. Vor allem hilft es uns, nicht so anzuhaften an Dingen, Menschen, unserem eigenen Körper, da wir ja irgendwann alles zurücklassen müssen, wenn wir sterben. Und da wir lernen, dass gerade dieses starke Anhaften sehr viel Leid schafft, können wir uns sehr viel Leid ersparen, wenn wir lernen, an all dem weniger festzuhalten und zu klammern.                                    

Vers 18

Auch wenn man mit Armut geschlagen ist und immer verachtet wird,
von schwerer Krankheit und von bösen Geistern heimgesucht wird:
Seinen Herzensmut nicht zu verlieren,
sondern die Untaten und das Elend aller Wesen auf sich zu nehmen, ist die Praxis eines Bodhisattva.

 Es kann vorkommen, dass wir von Schwierigkeiten geplagt sind, Schwierigkeiten haben, selbst die Grundbedürfnisse des Lebens zu finden, andere uns herabsetzen, wir an Krankheit und Schmerz leiden und Geister uns bedrängen. Wenn Dinge schief gehen und unsere körperliche Verfassung schlecht ist, müssen wir uns davor schützen, uns verzweifelt zu fühlen und unser geistiges Gleichgewicht und unsere Klarheit zu verlieren. Wir könnten versucht sein, uns Drogen oder Alkohol zuzuwenden, um unserem Elend zu entkommen, aber wenn wir es schaffen, standhaft zu bleiben, können wir unsere Situation besser lösen. Viele andere Lebewesen haben aufgrund ihrer früheren Handlungen ähnliche Schwierigkeiten, während andere wiederum Handlungen ausüben, die in solchen Erfahrungen zum Tragen kommen werden.

Es ist eine Bodhisattva-Praxis zu denken: „Möge mein Leiden ihr Leiden ersetzen.“ Die Menschen, die zu unseren Problemen beitragen, sollten als spirituelle Lehrer gesehen werden, die uns helfen, mehr Geduld, Mitgefühl und Liebe, enthusiastische Anstrengung, Freundlichkeit, Ausdauer, den Wunsch nach Freiheit und ein Verständnis für Vergänglichkeit zu entwickeln. Wenn wir unsere Intelligenz und Fähigkeiten einsetzen, kann das bloße Hören der Nachrichten als Lehre und Vertiefung unseres Verständnisses dienen. Wenn wir dies nicht tun, wird es vielleicht nur die Flammen der Vorurteile anfachen oder uns Leiden verursachen.            

Sei zufrieden mit dem, was du an gewöhnlichen Dingen hast – aber niemals mit dem Dharma. Wenn deine gewöhnlichen Wünsche und Abneigungen unersättlich sind, und du keinen Wunsch nach dem Dharma hast, kannst du nur tiefer und tiefer sinken.

Dilgo Khyentse Rinpoche

Das Erzeugen des Erleuchtungsgeistes

Den Geist zähmen

Dharma zu praktizieren bedeutet nicht, dass man einfach seine Kleider, seinen sozialen Status oder seinen Besitz verändert. Es bedeutet vielmehr, dass wir unsere innere Einstellung verändern und unseren Geist zähmen. Egal wer wir sind: Niemand kann als ein Dharma-Mensch angesehen werden, wenn sein Geist nicht gezähmt ist – das gilt auch für mich, den Dalai Lama. Wir können nie anhand der Kleider, die jemand trägt, sagen, dass er oder sie einen solchen Geist hat, sondern nur aufgrund der tatsächlichen geistigen und emotionalen Verfassung dieser Person. Sie alle hier sollten sich selbst untersuchen.

Jeder von uns wünscht sich, glücklich zu sein und niemand wünscht sich, zu leiden. Keiner von uns würde sich nicht wünschen, seine Kopfschmerzen loszuwerden, wenn er welche hat. Nicht wahr? Dies gilt sowohl für körperliche Schmerzen als auch für geistige Leiden. Doch um das unerwünschte Leiden zu beseitigen und das erwünschte Glück zu erlangen, muss man die richtigen Methoden benutzen. Es ist nicht etwas, das sofort geschieht. Sogar wenn wir einem Tier helfen oder es zähmen wollen, um ihm etwas Gutes zu tun, müssen wir dies in mehreren Stadien tun, die diesem speziellen Tier angepasst sind. Wir versuchen zum Beispiel, es zu füttern; wir achten darauf, dass wir es nicht erschrecken oder schlecht behandeln und so weiter.

Dasselbe gilt in Bezug auf unser Verhalten uns selbst gegenüber: Wir müssen uns selbst schrittweise helfen. Indem wir Stufe um Stufe durchlaufen, machen wir Fortschritte. Wir beginnen damit, zu überlegen, wie wir uns im nächsten Jahr hin zu mehr Handlungsspielraum und positiverem Verhalten erweitern und verändern können.  Es ist äußerst wichtig, jetzt wo, wir Menschen sind, auch an die Zukunft zu denken – und zwar nicht nur auf einer kurzfristigen, oberflächlichen Ebene, sondern vielmehr, indem wir versuchen, das letztendliche Glück, das unvergänglich ist, zu erlangen.

Letztendlich denken wir daran, wie wir es schaffen können, auch im nächsten Leben wieder eine menschliche Wiedergeburt zu erlangen, um so auf lange Sicht Glück zu erfahren und Leiden zu vermeiden. Gewöhnlicherweise versuchen wir Glück zu finden, indem wir danach streben, unseren Körper mit Nahrung, Kleidung, einer Unterkunft und so weiter zu versorgen. Doch das Menschsein erschöpft sich nicht in diesen Dingen. Selbst wenn wir reich sind, können wir feststellen, dass auch reiche Menschen noch immer sehr viel geistiges Leiden erfahren. Wir können dies im Westen sehr deutlich sehen.

Es gibt viele Menschen, die zwar viel Geld und viele körperliche Annehmlichkeiten besitzen und trotzdem zahlreiche psychische Probleme haben, wie Depressionen, einen verwirrten Geist, und die verschiedensten Lebensumstände erleben, in denen sie sich sehr unglücklich fühlen. Tatsächlich begegnet man im Westen zahlreichen Menschen, die Drogen und Medikamente nehmen, um zu versuchen, diese Zustände zu lindern. Obwohl sie über materiellen Komfort und Reichtum verfügen, und alle materiellen Vergnügungen haben, sehnen sie sich am allermeisten nach Glück im Geist.

Dies zeigt, dass Reichtum alleine ihnen nicht sowohl körperliche Annehmlichkeiten als auch geistiges Glück verschaffen kann. Leicht können wir erkennen, dass unser Geist wichtiger ist als unser Körper, da er bestimmt, wie wir mit Problemen und Herausforderungen umgehen. Daher muss das Augenmerk darauf liegen, dass wir in unserem eigenen Geist Glück hervorbringen.

Kommentar zu „37 Bodhisattva-Praktiken“ – Der 14. Dalai Lama. Der Dalai Lama lehrte die Bodhisattva-Praktiken 1983 in Bodhgaya mit besonderen Ratschlägen für tibetische Flüchtlinge und Pilger  

Ein graduierlicher Prozess der Veränderung

„Ganz gleich, welche störenden Emotionen und Geisteshaltungen wir haben, wir müssen die jeweils notwendigen Gegenmittel anwenden und uns nicht entmutigen lassen. Wenn wir dies tun, werden wir nach und nach dazu in der Lage sein, unsere Schwierigkeiten zu überwinden und uns eines Tages endgültig von ihnen zu befreien. Wir werden feststellen, dass wir uns schrittweise jedes Jahr ein bisschen mehr vervollkommnen. Das Leiden, das wir erleben, ist das Ergebnis davon, dass unser Geist nicht diszipliniert oder gezähmt ist. Aber da der Geist von Natur aus nicht durch störende Emotionen und Geisteshaltungen befleckt ist, können wir unseren Geist zähmen, von Negativem reinigen und so zum Guten hin verändern. Doch die Ergebnisse der Zähmung werden sich nicht sofort einstellen.  

Es ist wie bei Kindern, die am Anfang überhaupt nichts wissen und vollkommen ungebildet sind. Doch sie durchlaufen die verschiedenen Schulklassen, die erste Klasse, die zweite, und so weiter, und durch diesen graduellen Prozess lernen sie Jahr für Jahr dazu. Dasselbe gilt auch beim Hausbau: Wir bauen schrittweise eine Etage nach der anderen. Wir arbeiten uns durch die verschiedenen Stadien voran, bis wir die Aufgabe fertig gestellt haben. Dieselbe Einstellung müssen wir auch entwickeln, wenn wir uns mit unserem Geist befassen. Wir müssen versuchen, unsere Motivation so gut es geht auszurichten, und zwar auf der Ebene, auf der wir uns gerade befinden. Langsam werden wir auch in diesem Fall dazu in der Lage sein, unsere Motivation stufenweise zu verbessern.“

Kommentar zu „37 Bodhisattva-Praktiken“ – Der 14. Dalai Lama. Der Dalai Lama lehrte die Bodhisattva-Praktiken 1983 in Bodhgaya mit besonderen Ratschlägen für tibetische Flüchtlinge und Pilger 

Das Erzeugen des Erleuchtungsgeistes – Wurzel des Mahayana

Den Geist in den vier grenzenlosen Eigenschaften üben Meditation über Mitfreude – Sich an Gutem erfreuen Im Buddhismus gehen wir davon aus, dass Glück aufgrund entsprechender Ursachen entsteht, und diese Ursachen sind gute und heilsame Handlungen. Damit wir wirklich heilsam handeln können, ist es wichtig, die verschiedenen Arten heilsamer Aktivitäten, ihre Ursachen und Resultate zu kennen.

Was ist der Schlüssel für das Ergebnis jeglicher positiver Handlungen? Es ist Mitfreude. Mitfreude bedeutet, dass wir automatisch glücklich und froh sind, wenn es anderen Menschen gut geht, wenn sie Erfolg haben, wenn sie erhalten, was sie sich wünschen. Außerdem freuen wir uns, wenn wir Zeugen hilfreicher, mitfühlender Handlungen werden, oder wenn wir etwas darüber erfahren. Wir können unserer Mitfreude durch Körper, Rede und Geist Ausdruck verleihen. Unser Körper kann die Freude, die wir empfinden auf vielfältige Weise ausdrücken: vielleicht sind wir zu Tränen gerührt, wir lachen, oder wir fangen vor Freude an zu zittern.

Mit unserer Rede können wir Lob aussprechen und andere bestätigen: „Was du da tust, ist wundervoll. Das ist großartig!“ In unserem Geist entsteht Freude ganz natürlich als Reaktion auf heilsame Handlungen, seien es unsere eigenen oder die der anderen. In diesen Zusammenhang ist Mitfreude ein wunderbares Gegenmittel gegen Neid und Eifersucht.

S.H. XVII Karmapa Ogyen Trinley Dorje – Augenblicke der Erleuchtung, Seiten 76-78

Den Geist in den vier grenzenlosen Eigenschaften üben

OM MANI PEME HUM

Chenresig Mantra

Wenn wir Dharma praktizieren, macht das kostbare Bodhichitta, der Geist des großen, grenzenlosen Mitgefühls, die eigentliche Essenz eines Pfades aus. Wir entwickeln Bodhichitta mit der aufrichtigen Absicht und dem Wunsch, anderen zu nützen. Dank unseres Verstands und unseres Wissens können wir diese Eigenschaft im eignen Geist finden. Um diesen Prozess zu fördern, ist es jedoch wichtig, sich auf Yidams wie Chenresig zu stützen. Warum ist das so? Der edle Chenresig ist der Herr des Mitgefühls; in der Terminologie des Dharma ausdrückt ist er die Manifestation des Mitgefühls der Buddhas aller Zeiten und aller Richtungen. Inspiriert durch seine vollkommene Verwirklichung von Bodhichitta, können wir einen wahren Pfad beschreiten, indem wir das sechssilbige Mantra des Chenresig rezitieren, das sein Mitgefühl repräsentiert. Diese Praxis bringt uns zweifachen Nutzen: Für uns selbst werden wir die vollkommene Erleuchtung erlangen, und wir helfen anderen, dass es ihnen ebenfalls gelingt. Das ist mit dem Bodhisattva-Pfad gemeint, den der Buddha in den Sutras gelehrt hat.

S. H. XVII Karmapa Ogyen Trinley Dorje – Augenblicke der Erleuchtung, S. 18   

Den Geist in den vier grenzenlosen Eigenschaften üben

Meditation über Mitfreude – Sich an Gutem erfreuen

Im Buddhismus gehen wir davon aus, dass Glück aufgrund entsprechender Ursachen entsteht, und diese Ursachen sind gute und heilsame Handlungen. Damit wir wirklich heilsam handeln können, ist es wichtig, die verschiedenen Arten heilsamer Aktivitäten, ihre Ursachen und Resultate zu kennen.

Was ist der Schlüssel für das Ergebnis jeglicher positiven Handlungen? Es ist Mitfreude. Mitfreude bedeutet, dass wir automatisch glücklich und froh sind, wenn es anderen Menschen gut geht, wenn sie Erfolg haben, wenn sie erhalten, was sie sich wünschen. Außerdem freuen wir uns, wenn wir Zeugen hilfreicher, mitfühlender Handlungen werden, oder wenn wir etwas darüber erfahren. Wir können unserer Mitfreude durch Körper, Rede und Geist Ausdruck verleihen.

Unser Körper kann die Freude, die wir empfinden auf vielfältige Weise ausdrücken: vielleicht sind wir zu Tränen gerührt, wir lachen, oder wir fangen vor Freude an zu zittern. Mit unserer Rede können wir Lob aussprechen und andere bestätigen: „Was du da tust, ist wundervoll. Das ist großartig!“ In unserem Geist entsteht Freude ganz natürlich als Reaktion auf heilsame Handlungen, seien es unsere eigenen oder die der anderen. In diesen Zusammenhang ist Mitfreude ein wunderbares Gegenmittel gegen Neid und Eifersucht.

S. H. XVII Karmapa Ogyen Trinley Dorje – Augenblicke der Erleuchtung, Seiten 76-78

Liebe und Mitgefühl 

17th Gyalwang Karmapa Ogyen Trinley Dorje

„Liebe ist ein großes Thema für Studium und Praxis“, sagte er. „Wir können unser Niveau allmählich erhöhen und unsere Fähigkeit zur Liebe in uns selbst vertiefen.“ Liebe kann nicht isoliert existieren, betonte er, sie muss in einem sozialen Kontext ausgedrückt werden, denn sie existiert nur in unseren gegenseitigen Verbindungen mit anderen. Wenn Menschen also nicht bereit sind zu lernen oder sich zu verändern, ist es sehr schwierig für sie, Liebe und Güte zu entwickeln.

Um diese letztere Art von Liebe zu entwickeln, müssen wir unsere Fixierungen vermindern, riet er. In der Vajrayana-Tradition ist der Vollmond die Metapher, die für das relative Bodhicitta verwendet wird. Unsere begrenzte Liebe hingegen wird durch eine Mondsichel charakterisiert, weil wir das Potenzial der Liebe, die wir besitzen, nur teilweise entwickelt haben. Sie ist einseitig und begrenzt, beschränkt auf Familie und Freunde. Die Meditation über Bodhicitta als Vollmond dient als Inspiration für uns, um unparteiische Liebe vollständig zu entwickeln.

Die Wurzel dieser beiden Arten von Liebe ist ebenfalls unterschiedlich. Die buddhistische Sichtweise von Liebe und Mitgefühl basiert auf der Gemeinsamkeit, die alle fühlenden Wesen teilen. Andere sind genau wie wir, sie erleben Freude und Schmerz, sie wollen Leiden vermeiden und glücklich sein, und das ist die grundlegende Motivation dafür Liebe und Mitgefühl zu entwickeln. Wenn wir wissen, wie wir richtig praktizieren, ist niemand von unserer Liebe und unserem Mitgefühl ausgeschlossen. Obwohl es Menschen geben mag, denen wir uns besonders nahe fühlen, wie z.B. unsere Eltern oder Lehrer, werden unsere Liebe und unser Mitgefühl auch diejenigen einschließen, die wir als unsere Feinde wahrnehmen.

Letztendlich müssen wir Gleichmut für alle fühlenden Wesen praktizieren, während wir gleichzeitig anerkennen, dass es auch besondere karmische Verbindungen gibt und dass diese beiden Aspekte sich nicht ausschließen. Shakyamuni Buddha hatte eine besondere Verbindung mit seiner Frau Yasodhara, die sich über viele Lebenszeiten erstreckte. Wir beten, dass wir niemals von unserem Guru getrennt werden. In gleicher Weise unterhielt der Bodhisattva Avalokiteshvara eine besondere Beziehung zu seinem Lehrer, Buddha Amitabha, der der Herr der Buddha-Familie ist.

„Es ist wichtig für uns, unseren Geist zu schulen und Liebe zu praktizieren“, betonte Karmapa. „Es in die Praxis umzusetzen, ist sehr schwierig… Denn solange wir Freunde und Feinde haben, werden wir natürlich große Anhaftung an die einen und Hass gegenüber den anderen empfinden. Je mehr wir uns von unseren Freunden beschützt fühlen, desto mehr fühlen wir automatisch Abneigung gegenüber unseren Feinden.“ Der Karmapa fuhr fort: „Es ist besonders schwierig, Liebe zu fühlen, wenn wir nicht trainiert haben. Wenn wir unseren Geist trainieren und in der Lage sind, liebende Güte für alle Wesen zu praktizieren, wird es sich zum Positiven entwickeln. Wenn nicht, wird diese Liebe, die mit Anhaftung gefärbt ist, zu Leiden führen.“

Um auf das Thema Mitgefühl zurückzukommen, machte Karmapa deutlich, dass Mitgefühl über das Gefühl von Sympathie oder Zuneigung für andere hinausgeht. Wenn eine Person Mitgefühl hat, gibt es kein Gefühl der Trennung von dem Objekt dieses Mitgefühls, sondern vielmehr eine direkte Erfahrung der Probleme und des Leidens dieses anderen fühlenden Wesens. „Im Vergleich zu Liebe erfordert Mitgefühl viel mehr Mut, ist engagierter, aktiver und direkter“, erklärte der Karmapa.

Wenn die Kraft unseres Mitgefühls bis zu dem Punkt zunimmt, an dem es keinen Unterschied mehr zwischen dem Selbst und dem Anderen gibt, sind wir in der Lage, die Leiden anderer sowohl körperlich als auch geistig zu erfahren. In der tibetischen Geschichte gab es viele Geschichten von Bodhisattvas und Menschen, die sich in Tong-len (der Praxis des Austauschs von sich selbst mit anderen) geübt hatten, und die dazu in der Lage waren. Besonders berühmt waren die Kadampa-Meister. In einer Geschichte geht es um einen bekannten Kadampa-Meister, als jemand in der Nähe einen Stein auf einen Hund warf. Als der Stein den Hund traf, zuckte der Meister zusammen, umklammerte seine Seite und war gezwungen, das Lehren zu unterbrechen. Später stellte sich heraus, dass die Seite des Meisters tatsächlich geprellt worden war, der Hund aber überhaupt nicht verletzt wurde. So sollten wir uns immer die wahre Kraft und Natur des Mitgefühls vor Augen halten.

Schließlich warnte der Karmapa vor Selbstgefälligkeit. Es besteht immer die Gefahr, dass wir uns vormachen, dass wir buddhistische Praktizierende sind, wenn wir es nicht sind. 

Der Unterschied zwischen dem Grundlagenfahrzeug, oder Hinayana, und dem Mahayana ist keine Frage des geringeren oder höheren Wertes zwischen den beiden, erklärte er, sondern eher eine Frage unserer eigenen Fähigkeit, den Dharma zu praktizieren, und wie viel Verantwortung wir in der Lage sind zu übernehmen. Wenn wir nicht in der Lage sind, die ganze Verantwortung des Mahayana zu tragen, sollten wir das Grundlagenfahrzeug praktizieren. Und selbst das ist für viele Menschen zu schwierig.

Bei der Dharma-Praxis geht es nicht um äußere Erscheinung, sondern um das, was in unserem Geist geschieht. Unter Bezugnahme auf einen beliebten chinesischen Text, das Diamantschneider-Sutra, wies Seine Heiligkeit darauf hin, dass dieses zwar als Mahayana-Sutra klassifiziert wird, aber ob es zu einer Mahayana-Praxis wird oder nicht, hängt vom Geisteszustand des Einzelnen ab.

Ob wir Hinayana, Mahayana oder überhaupt erst einmal Buddhist sind, hängt vom Zustand unseres Geistes ab, wenn wir praktizieren, und nicht von den Texten, die wir verwenden. Darum müssen wir unseren Geist ständig korrigieren, revidieren und uns selbst prüfen.

Die Bodhicitta Motivation – der Erleuchtungsgeist

So, wie die Buddhas früherer Zeiten den Erleuchtungsgeist entwickelt haben und der Praxis der Bodhisattvas schrittweise gefolgt sind, werde auch ich, um den Lebewesen zu nützen, den Erleuchtungsgeist entwickeln, und die Übungen ebenso stufenweise praktizieren.

Bodhisattva Versprechen

Meditation über Liebe

Alle Wesen streben danach, glücklich zu sein. Keines möchte unglücklich sein und leiden. Was sie nicht verstehen, ist, dass die Ursache des Glücks in heilsamem Verhalten liegt, und so überlassen sie sich den zehn negativen Verhaltensweisen. Was sie sich zutiefst wünschen, das durchkreuzen sie mit ihrem Verhalten. Auf ihrer Suche nach Glück schaffen sie sich nichts als Leid. Meditiert immer wieder darüber, wie schön es wäre, wenn jedes Wesen alles Glück und Wohlergehen erlangen könnte, das es sich wünscht. Meditiert so lang darüber, bis ihr das Glück der Anderen ebenso sehnlich herbeiwünscht wie euer eigenes!

Die Sutras sprechen von „liebevollen Taten des Körpers, der Rede, des Geistes“. Das heißt, alles, was ihr sagt und tut, sollte ehrlich und liebevoll sein. Auch wenn ihr einfach jemanden anschaut, tut es mit einem freundlichen Lächeln und nicht mit aggressiver oder unfreundlicher Miene. Ganz besonderes wird alles, was ihr mit Körper, Rede und Geist euren eigenen Eltern oder Kranken an Hilfe geben könnt, zu einer Quelle unvorstellbar großen Segens. Jowo Atisha sagt hierüber: „Gut zu denen zu sein, die von weither kommen, zu denen, die seit langem krank sind, zu unseren alten Eltern, ist gleichwertig damit, über Leerheit zu meditieren, deren Essenz Mitgefühl ist“.   [/cmsmasters_text][/cmsmasters_column][/cmsmasters_row]