Beiträge von Tai Situ Rinpoche
Der Tai Situpa, oft auch Situ Rinpoche genannt, ist einer der ranghöchsten Lamas der Karma Kagyu-Linie. Chokyi Gyaltsen war der erste, der den Titel „Grand Situ“ trug, der ihm 1407 vom Yongle-Kaiser von Ming China verliehen wurde. Der 12. Tai Situpa war maßgeblich an der Anerkennung von Ogyen Trinley Dorje beteiligt dem 17. Karmapa, den er im August 1992 im Tsurphu-Kloster, dem traditionellen Sitz des Karmapa außerhalb von Lhasa, inthronisierte.
Die Macht des Geistes von Situ Rinpoche
Körper und Sprache ohne Geist sind für uns nur sehr schwer vorstellbar. Der Geist ist für das Gefühl von „Ich“ und von uns Selbst als Lebewesen am wichtigsten. Ohne den Geist ist der Körper tot. Der Geist bewegt sich aus der Vergangenheit in die Zukunft, jetzt in der Gegenwart ändert er sich ständig von Tag zu Tag. Während der Krise in den letzten Monaten konnten wir beobachten und verstehen, dass sehr wichtig ist, wie wir denken und Situationen erleben. Wenn wir wissen, wie wir damit umgehen können, haben wir die Möglichkeit, an der gegenwärtigen Zeit zu arbeiten, um sie als Qualitätszeit zu erleben. Wir können es als eine wunderbare Zeit und Gelegenheit annehmen, die uns ermöglicht, eine Art Rückzug zu erleben.
Die Kraft des Geistes bestimmt unser Wesen. Wir erschaffen Himmel und Hölle, wir erschaffen Häuser, Dinge, die wir benutzen, die gesamte Welt, in der wir leben. Alles kommt durch die Kraft des Geistes. Der Geist ist primär perfekt, rein, grenzenlos. Geist kann niemals schlecht sein. Leider missbrauchen wir ihn, schaffen Waffen, um so viele Menschen zu töten. Aber wir können kein Mittel gegen ein Virus finden. Wir sollten niemals in Panik geraten, sondern egal, was passiert, die Zeit nutzen, um uns hinzusetzen, zu entspannen und nach innen zu schauen. Dann können wir herausfinden, wie wir den Geist wahrnehmen. Aber wir können noch tiefer gehen und etwas finden, das tiefer als der Ozean und heller als die Sonne ist.
Was auch immer schmerzhaft ist, macht es sinnvoll. Schaut positiv nach vorne, macht euch keine Sorgen, konzentriert euch nicht auf Mangel und Verlust. Beruhige den Körper, indem du deine Sprache beruhigst. Dies bedeutet das Schweigen zu üben. Du kannst sogar ein Gelübde ablegen, wenn das dabei hilft, ruhiger zu werden. Sei still, setz dich hin, meditiere. Hör nicht auf zu denken, sondern hör auf Unsinn zu denken. Denke zum Beispiel: Ich entspanne mich, mein Körper, meine Augen usw. entspannen sich. Dann entspanne den Geist. Dies wird alles beeinflussen. Der Geist wird entspannt und ist besser in der Lage, mit den Herausforderungen des Alltags zurecht zu kommen.
Jeder Aspekt unseres Lebens in Samsara ist eine Illusion, eine ernsthafte Illusion, die von uns selbst ständig neu geschaffen wird. Alles ist Karma, das heißt, es folgt dem Gesetz von Handlung und Auswirkung. Leider wissen wir nicht, dass es eine Illusion ist, und nehmen es daher als real wahr. Jeder hat Probleme: Manche nehmen sie sehr ernst, manche nehmen sie weniger ernst, und manche wissen, dass alles eine Illusion ist. Durch Meditation verstehen wir, dass der Geist letztendlich frei ist, und von nichts beeinflusst werden kann.
Die Kraft des Geistes kann genutzt werden, um Bodhicitta, das bedeutet grenzenlose Herzensgüte und grenzenloses Mitgefühl für alle Wesen, zu entwickeln, und danach zu streben, ein Buddha wie der vorherige Buddha zu werden. Die wahre Natur des Menschen ist Mitgefühl. Negativität kann nicht gewinnen – mit Aggression kann niemand überleben. Wir überleben nur mit Mitgefühl.
Einige Gedanken zu Glück von S.E. XII Tai Situ Rinpoche
Ob du glücklich bist oder nicht, liegt in deiner Hand. Du musst dich entscheiden, ob du glücklich sein willst. Und wenn du dich entscheidest mitfühlend, hingebungsvoll, freundlich, aufgeschlossen, aufrichtig und authentisch zu sein, dann wirst du glücklich sein. Das versichere ich dir. Natürlich helfen uns äußere Umstände, aber suchen wir unser Glück nur in äußeren Dingen wie Erfolg, Besitz, Macht oder Freundschaften, wird es sehr schwierig sein, wirklich dauerhaftglücklich zu werden. Man muss innerlich glücklich sein. Wenn wir das Glück nicht in uns finden, kann nichts von außen etwas bewirken. Tatsächlich werden äußere Dinge, die uns heute glücklich machen, morgen ganz sicher nicht mehr genau so sein. Und übermorgen könnten sie sogar die Ursache unseres Leidens werden. So etwas passiert öfters, das zeigt uns die Geschichte. Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt – seid glücklich, indem ihr die Verkörperung von Freundlichkeit, Mitgefühl, Liebe und Weisheit seid. Ich kann euch eines mit vollstem, hundertprozentigem Vertrauen sagen: all diese Qualitäten sind in euch. Brüder, Schwestern – es ist in euch, ich garantiere es euch, ich sage es und stehe vollkommen dahinter. Es ist in euch. Wenn du ein Buddhist bist, dann ist Buddha in dir. Und wenn du einem anderen Glauben vertraust, dann ist all das, was großartig und vollkommen ist, in dir. Es ist in dir, nicht irgendwo dort draußen.
Einige inspirierende Worte von Tai Situpa für uns alle
Wir sollten unseren Tag mit einer sehr klaren Entscheidung beginnen, die darin bestehen sollte, dass wir an diesem Tag mindestens ein, zwei oder drei gute Dinge tun werden. Wenn wir unseren Tag mit diesem Entschluss als Routine beginnen, wird es uns in Erinnerung bleiben. Auch sollten wir so früh wie möglich aufstehen. Wie hört es sich an, wenn wir sagen müssen: „Ich habe noch nie den Sonnenaufgang gesehen?“ Es klingt nicht gut. Die Natur entfaltet sich, die Sonne geht auf, also solltest du aufstehen und den Sonnenaufgang sehen können. Um dies zu tun, solltest du früh ins Bett gehen, damit du früh aufstehen kannst. Die Dinge hängen voneinander ab. Wenn wir mit der Natur, den Vögeln, der Sonne und allem zusammen aufstehen, werden wir uns als Teil des gesamten Universums fühlen. Darüber hinaus treffen wir als Mensch eine klare Entscheidung, und wenn wir Buddhist sind, sollten wir jeden Morgen ein buddhistisches Gebet rezitieren und meditieren. Aber wenn wir nicht Buddhist sind – obwohl ich von niemanden wirklich sagen kann, dass er kein Buddhist ist – weil alle Buddha in ihrem Wesen haben. Wir alle haben die Buddhanatur, wir haben die ursprüngliche Weisheit als unsere Essenz. Es ist also sehr schwer zu sagen, dass man kein Buddhist ist. Aber die Leute sagen, ich bin Buddhist oder kein Buddhist. Also folge ich ihrer Wahrnehmung. Wenn du also sagst, dass du kein Buddhist bist, egal, was du bist, welchen Gott oder welche Dinge du anbetest, verehre sie. Du solltest sie mit einem sehr offenen und klaren Geist verehren und dabei Hingabe und Mitgefühl vereinen. Es sollte nicht nur Mitgefühl oder nur Hingabe sein. Es sollte eine Kombination von beiden sein, dann ist deine Praxis in Balance. Wenn nur Mitgefühl da ist, wirst du vielleicht sehr stolz und wirst auf alle herabblicken. Mitgefühl zu haben ist wunderbar, aber sich über alle zu stellen und auf alle herabschauen, ist nicht so gut. Mitgefühl sollte also da sein, aber ohne Ego. Wenn du andererseits Hingabe ohne Mitgefühl hast, dann setzt du dich selbst herab, und lieferst dich der Barmherzigkeit von jemand anderem aus. Hingabe sollte also da sein, aber Hingabe sollte nicht ohne Mitgefühl sein. Du selbst bist eine vollständige und in sich gesunde Einheit. Und das solltest du wissen. Du kannst so viele Dinge tun, von denen Du wahrscheinlich glaubst, dass Du sie nicht tun kannst, aber das stimmt nicht. Du kannst so viel tun. Du bist fähig dazu. Es ist in dir. Es ist ein wesentlicher Bestandteil von dir. (Aus „A Response to a Request)
Aus dem Teaching von Guru Vajradhara Tai Situpa Rinpoche über inneren Frieden (11. Oktober 2020)
Äußerer Friede ist die andere Seite des inneren Friedens und oftmals verwechseln wir die beiden. Äußerer Friede ist etwas, das alle gemeinsam erfahren, während innerer Friede vom einzelnen erlebt wird. Natürlich können andere den inneren Frieden eines Mitmenschen erfahren, aber möglicherweise gibt es einen recht großen Unterschied zwischen dem, was die einen von außen erleben, und dem, was derjenige, der den inneren Frieden erreicht hat, erfährt. Religiös und philosophisch gesehen kennen wir den inneren Frieden als Reines Land oder Buddhaschaft usw.
Diese Begriffe beschreiben aber auch äußeren Frieden. Die ganze Welt in ein Reines Land zu verwandeln erscheint jedoch als eine sehr schwierige Aufgabe. Individueller Frieden allerdings ist nicht nur möglich, sondern Bestimmung. Innerer Friede bedeutet, dass man sich zufrieden und zuversichtlich fühlt und nicht durch Geschehnisse egal welcher Art negativ beeinflusst wird. Alles, was geschieht, hat einen positiven Einfluss auf uns. Tai Situpa beschreibt das so: „Wenn Wasser über dich hereinbricht, bist du ein Fisch. Wenn Wind weht, bist du ein Vogel. Wenn sich ein Berg auftürmt, bist du einer der Felsen darin.
Wenn sich der Raum auftut, dann bist du Sonne, Mond und Sterne.“ Manche Menschen, wahre Yogis, erfahren den inneren Frieden die ganze Zeit über. Wir jedoch erleben den inneren Frieden nicht immer. Auf unserem Weg zum inneren Frieden rutschen wir manches Mal neun Zehntel des Weges, den wir schon hinter uns gebracht haben, wieder zurück. Aber dann haben wir trotzdem ein Zehntel gewonnen! Wenn die Rede auf äußeren Frieden kommt, dann weiß jeder, was damit gemeint ist. Der innere und äußere Friede ist alles, worum es im Leben und im Dharma geht. Erreicht man inneren Frieden, wird sich der äußere Frieden entwickeln. Aber bei 7,8 Milliarden Menschen auf der Welt könnte man sich fragen, was da der innere Frieden eines einzelnen Menschen bewirken kann.
Tai Situpa sagt dazu: „Ich bin eines von 7,8 Milliarden menschlichen Wesen auf dieser Erde. Wie kann meine Zufriedenheit andere Wesen beeinflussen? Stellt euch einen See vor. Stellt euch außerdem vor, man würde eine Tasse einer schönen Farbe, Rot, Grün, Violett, in den See gießen. Vielleicht ändert das nicht sehr viel an der Farbe, der See wird möglicherweise ein bisschen farbiger. Aber wenn eine Tasse Farbe keinen Unterschied machen kann, dann können auch 7,8 Milliarden Tassen Farbe keinen Unterschied machen.“ Der Einfluss, den wir haben, hängt vom Ausmaß unseres inneren Friedens ab. Die großen Arhats wie Ananada wurden von Buddha Shakyamuni beeinflusst. Und diese Arhats haben auch einen Einfluss auf uns: Wir lernen etwas über den Dharma.
Aber wie kann es möglich sein, dass der innere Frieden eines menschlichen Wesens einen Effekt auf die Wesen aller sechs Daseinsbereiche hat? Jeder von uns kommt aus diesen Daseinsbereichen, wir waren schon unzählige Male dort: Wir waren unter den Göttern, den Tieren (als Löwe oder als Staubmilbe), den Hungergeistern und den Höllenwesen. Der innere Frieden von Buddha Shakyamuni hatte einen Einfluss auf alle Wesen in allen Daseinsbereichen. Und der innere Frieden jedes einzelnen Praktizierenden beeinflusst auch andere Wesen. Tai Situpa ruft in Erinnerung, wie viele von uns ein Haustier halten, das eher ein Familienmitglied ist. Und er weist darauf hin, wie sehr sich eine Beziehung zwischen uns und diesem Tier entwickelt, die so groß ist, dass Hunde beispielsweise sogar riechen können, wenn wir krank sind.
Auch Tiere fühlen, auch sie haben die Buddhanatur und unser innerer Friede kann sie positiv beeinflussen. Wenn wir an den äußeren Frieden denken, dann denken wir meist automatisch an Weltfrieden. Wir denken an all die Konflikte und Kriege, die geschehen sind und immer noch ausgetragen werden, und wir stellen uns den Frieden als Abwesenheit all dieser Konflikte und Kriege vor.
Allerdings lehrt uns die erste Edle Wahrheit, dass Frieden Erlöschen ist. Das Erlöschen des Grundes und der Bedingung, die den inneren Konflikt in uns schafft, der sich dann als äußerer Konflikt zeigt. Und manche von uns haben ein bestimmtes Karma, das sie ihren inneren Konflikt nach außen und auf andere projizieren lässt, indem sie einen Krieg anzetteln. […] Eigentlich meinen wir eine einzige Sache, wenn wir von innerem Frieden, Weltfrieden und universeller Harmonie sprechen. Unsere Selbstsucht, Gier, Eifersucht, Hass und unser Stolz halten uns aber davon ab, diese Harmonie zu erleben.
Dies alles ist in unserer Unwissenheit begründet. […] Der Grund und die Bedingung, die verhindern, dass äußerer Friede entsteht, ist unser Glaube an ein Selbst, ein Ego.
Das Nutzen von negativen Umständen als Teil des Weges zu Verwirklichung
Es gibt viele Arten von negativen Umständen, wie z. B. Krankheiten und alle Unannehmlichkeiten, die von den Wesen ausgehen, die beispielsweise ärgerlich auf uns sind oder uns das Leben schwer machen. Manchmal ist ihr Handeln das Ergebnis früherer Negativität, und manchmal schafft es eine neue Ursache für Negativität, weil es die Reaktion von Begierde, Ärger, Unwissenheit, Eifersucht oder Stolz in uns auslösen kann. Wie auch immer die Umstände sein mögen, es hängt von unserem Verständnis und nicht nur von den Umständen selbst ab, ob sie negativ oder positiv für uns sein werden, wenn sie auftreten.
Wenn wir mit der Situation nicht in geeigneter Weise umgehen können, sind sie negativ. Wenn wir das Verständnis und das Geschick besitzen, die Umstände in einen „Brennstoff“ für unsere Praxis zu verwandeln, dann sind sie positiv. Sollte beispielsweise jemand aggressiv uns gegenüber sein und wir üben Vergeltung, dann ist die gesamte Situation negativ. Wenn wir jedoch verstehen, dass mit diesem Geschehen unser eigenes Karma reif wird, und dass das Karma in dieser äußeren Manifestation als Aggression erschienen ist, dann können wir das Geschehen einfach mit Liebe und Geduld hinnehmen und es als ein Mittel zur Reinigung von diesem besonderen Karma begreifen. Das heißt, aber nicht, dass wir auf die Straße hinauslaufen und zu Aggression auffordern sollten, damit wir unser vergangenes Karma reinigen können. Es gibt manche Leiden, denen wir ausweichen können, und andere, bei denen dies nicht möglich ist.
Normalweise verwenden wir eine Menge Zeit und Anstrengung darauf, selbst das geringfügigste Leiden zu umgehen; wenn wir aber auf ein unausweichliches Leiden stoßen, dann müssen wir es als ein Reifwerden von Karma erkennen und es freudvoll in dem Wissen annehmen, dass das Reifwerden von Karma an sich die Ursache für dieses Karma aufhebt, und dass es irgendwann einmal dazu kommen würde. Zum Zeitpunkt des karmischen Reifwerdens wendet der geschickt Praktizierende eine der Methoden für die Reinigung von Karma an und macht sich sein Vorhandensein in vollem Masse zunutze. Ohne eine solche Einstellung, reagiert man negativ auf widrige Bedingungen und sät die Samen für weiteres Karma.
Genau in dieser Weise läuft der samsarische Kreislauf ab – negative Aktion und Reaktion setzen sich unaufhörlich fort und schaffen die weltliche Existenz wieder neu. Verwirklichung ist nichts in sich selbst, sie bedeutet an sich nichts anderes als eine Befreiung aus dem Teufelskreis von Samsara, und deshalb bildet das Durchbrechen von negativen Reaktionsmustern einen Teil des Weges zur Verwirklichung. Wenn wir jede neue Ursache für Samsara tilgen und das bereits vorhandene Karma reinigen, können wir die wahre Natur unseres Geistes wiederfinden.
Khentin Tai Situpa – …den Weg gehen, S. 95-96
Chamgon Kenting Tai Situ Rinpoche zu wahrem Glück und universeller Wahrheit
Buddhismus ist relevant, denn wir alle wollen glücklich sein und nicht leiden. Und niemand möchte leiden oder begrenzt sein. Es ist unser Potential, dass wir alle glücklich sein können und frei von Leid. In dieser Weise ist Buddhaschaft die grenzenlose Freiheit und Befreiung, die keinerlei Limitierung hat und nicht im geringsten dualistisch behaftet und befleckt ist. Das ist Buddhaschaft. Und bis wir das erreicht haben werden, wird unsere Glückseligkeit, unsere Freude, unsere Art von Wohlgefallen immer mit einem Preisschild versehen sein. Jeder Aspekt von Glück, Glückseligkeit und Freude, der mit dem Ego, mit Anhaftung, Eifersucht, Stolz und Unwissenheit in Verbindung steht, wird uns, wenn wir diese verlieren, Leiden einbringen. Je mehr wir davon haben, desto größer wird das Leid sein, wenn wir diese Dinge verlieren.
Wir sollten also wissen, dass die relative, dualistische Freiheit, Glückseligkeit und Freude, die wir suchen, in Wahrheit gar nichts bedeuten. Denn sobald wir sie haben, können wir sie nur verlieren. Diese Dinge sind vergänglich. In der relativen Welt, ist alles vergänglich. Alles außer Erleuchtung ist vergänglich, alles ist relativ. Es ist dabei egal, wo man lebt, im Westen, Norden, Süden oder Osten.
Universelle Wahrheit
Wie auch immer, mit gebührendem Respekt: ich denke Dharma ist universelle Wahrheit und Buddhismus repräsentiert den Dharma in einer höchst herausragenden, vollständigen Art und Weise. Nicht, weil er besser als alles andere ist, nicht weil er schlechter als alles andere ist, sondern, weil er seine lebendige Linie erhalten hat. Obwohl wir viel aus der Linie von Lord Buddhas Übertragung verloren haben, ist das, was übrig ist hier im 21. Jahrhundert nach 2500 Jahren, noch immer mehr als genug reiner Dharma mit reiner, intakter Linie. Indem wir ihn also praktizieren, kann jeder einzelne von uns Buddhaschaft erlangen und jeder einzelne von uns kann jedes einzelne fühlende Wesen im gesamten Universum und darüber hinaus befreien. Deshalb ist Bodhicitta so unheimlich wichtig und ein absolutes Muss für einenVajrayana Buddhist. Denn wenn wir Buddhaschaft ohne Bodhicitta erlangen wollen, wird dies niemals passieren. Wie kann man Buddhaschaft mittels Unfalls erreichen, wie kann man Buddhaschaft erlangen, ohne überhaupt eine Ahnung davon zu haben, wie kann man sie erlangen, wenn man sie überhaupt nicht erreichen möchte und wie kann man Buddhaschaft erreichen, wenn sie nicht für alle fühlenden Wesen ist? Deshalb ist Bodhicitta, das Herz des Mitgefühls, absolut essentiel und Buddhaschaft muss für das Wohl aller erstrebt werden.
Zur Praxis
Es gibt physische, mündliche und geistige Praxis. Und die Leute fragen „was ist nun wichtiger für Meditation? Ist Körper, oder Rede oder Geist wichtiger? Bevorzugt man eher einen guten Geist, gute Rede und guten Körper, was würdet Ihr bevorzugen?“ Unser Körper hält nicht länger als 100 Jahre an. Tatsächlich wird er in 100 Jahren nicht mehr gut sein. Und Sprache, ich weiß nicht, denn sogar ich sage manchmal eigenartige Dinge. Ich spreche von meinem Alter; denn in meinem Alter sage ich manchmal Dinge, die nicht selbsterklärend sind, also das, was ich meine, nicht selbst erklären. Wenn man 100 Jahre alt ist, also ich weiß wirklich nicht, was man sagen wird, wisst Ihr? Man sagt vielleicht eines und meint etwas anderes. Mit gebührendem Respekt gegenüber den älteren Menschen – ich werde sehr bald einer von ihnen sein!
Wie auch immer, unser Geist ist das wichtigste. Es ist unser Geist, der von der Vergangenheit in die Gegenwart kam und sich von der Gegenwart in die Zukunft bewegen wird. Nicht der Körper. Der Körper wird sich in die fünf Elemente auflösen: Wasser in Wasser, Luft in Luft, Erde in Erde, Feuer in Feuer, Raum in Raum. Und die Sprache ist damit dann weg, denn ohne Körper kann man nicht sprechen, wie Ihr wisst. Denn man benötigt Lungen, einen Hals, Lippen und eine Zunge, um zu sprechen, denn sonst kann man nicht sprechen.
Darum ist der Geist am wichtigsten. Und Meditation bedeutet, dass man Anstrengungen unternimmt, körperliche, mündliche und geistige Anstrengungen, damit unser Geist seine ursprüngliche Essenz, die wir Buddha-Natur oder ursprüngliche Weisheit nennen, manifestieren kann. Man erlaubt ihr, sich durch Meditation zu manifestieren. Wir haben hunderte und hunderte von Meditationsmethoden und alle diese Methoden basieren auf einer Grundlage: ruhig, still, stabil und friedsam zu sein.
Wenn man nicht friedlich ist, wer kann uns dann friedlich machen? Sogar, wenn uns jemand zusammenbindet, ankettet und große Steine auf uns legt, wird uns das nicht friedlich machen. Das heißt, dass es keinen Weg für uns gibt, friedlich zu sein, bis unser Geist friedlich ist. Unser Geist kann niemals in Frieden verweilen, bis er nicht in der Lage dazu ist, zu rasten. Und das ist die Grundlage von Meditation. Auf Grundlage dessen können sich alle Aspekte von Meditation manifestieren. Und durch all die Methoden der Linie wird man sich weiterentwickeln.
Wir meditieren, damit wir in der Zukunft nicht mehr meditieren müssen. Wir meditieren nicht, um die besten Meditierenden zu werden. Glücklicherweise gibt es keine Gold-, Silber- oder Bronzemedaillen für Meditierende. Wir meditieren nicht für Medaillen. Wir meditieren nicht, um Meditationsexperten zu werden. Wir meditieren, damit wir nicht mehr meditieren müssen. Alles wird vollkommen, sodass wir nicht mehr meditieren müssen. Das ist Buddhaschaft.
Quelle: Palpung Europe
Alle zusammengesetzten Phänomene sind unbeständig
Khentin Tai Situ Rinpoche
Alles, was durch Ursachen und Bedingungen hervorgebracht wird, ist unbeständig, nicht nur in dem Sinne, dass es irgendwann enden muss, sondern auch in dem Sinne, dass es sich von Moment zu Moment verändert. Das Ende der Geburt ist der Tod, das Ende des Guten ist das Schlechte, das Ende des Schlechten ist das Gute, das Ende der Zweisamkeit ist die Trennung, das Ende der Schöpfung ist die Zerstörung und das Ende der Zusammensetzung ist die Zersetzung. Weil es immer so ist, sagt Milarepa:
Unbeständigkeit, Unbeständigkeit, es gibt nichts, was dauerhaftes Wesen hat!
Nichts in Samsara hat ein Herz, eine Essenz. Dies wird anschaulich durch den Bananenbaum veranschaulicht – wenn seine erste Schale abgeschält wird, gibt es eine andere Schale, wenn diese Schale abgeschält wird, gibt es eine andere, und so weiter. Schließlich erreicht man die Mitte: der Baum ist hohl – es gab nichts mehr als die Schale. Im Samsara ist nichts mehr als Illusion, und weil das so ist, ist alles vergänglich, und trotzdem sehen wir die Dinge und glauben dann an sie als „ich“ und „mein“. Wie die Illusion für real gehalten werden kann, wird durch Flüsse und Flammen veranschaulicht. Wenn wir von einer Brücke aus auf den Fluss schauen, sehen wir seine Wellen, seine Strömung und seine Bewegung. Wenn wir am nächsten Tag zurückgehen, sehen wir dasselbe; selbst nach einem Jahr sieht er noch genauso aus. Tatsächlich bleibt der Fluss, da er aus fließendem Wasser besteht, nie auch nur eine Sekunde lang still, und das Wasser, das wir gestern betrachteten, ist längst zum Ozean hinuntergeflossen, dennoch schauen wir heute hin und sagen, es sei derselbe Fluss wie gestern. Die Lampenflamme ist in ihrer Mitte dunkel, dann rötlich, dann gelb und dann wieder rot. Sie ist geformt wie eine Pfeilspitze. Noch einmal: Obwohl sie immer mehr oder weniger gleich aussieht, bleibt sie nie auch nur einen Augenblick lang gleich, und doch schauen wir sie an und sagen „die“ Flamme. Ähnlich wie bei diesen leicht verständlichen Beispielen ist alles, was wir sehen, hören und fühlen, nicht von Dauer, nicht einmal für eine Sekunde. Moment für Moment gibt es Vergänglichkeit.
Wie sollten wir uns also der Vergänglichkeit nähern? Unbeständigkeit ist nicht etwas jenseits der Hoffnung – sie ist tatsächlich voller Hoffnung. Der Bodhisattva Shantideva sagt in seinem Text namens Bodhisattvacaryavatara: „…mit dem Gefäß dieser kostbaren menschlichen Existenz können wir den mächtigen Fluss des samsarischen Leidens überqueren“. Um einen Fluss zu überqueren, brauchen wir ein Boot, und um den Fluss des Samsara zu überqueren, ist die kostbare menschliche Existenz das einzige „Boot“ von wirklichem Nutzen. Deshalb ist innerhalb der Unbeständigkeit der samsarischen Illusion die unbeständige, aber wertvolle menschliche Existenz sehr wertvoll. Milarepa sagt:
Im Leben gibt es keine Zeit zu vergeuden, denn das Leben ist voller Zerstörung.
Milliarden von potenziell zerstörerischen Elementen warten immer auf die Chance, unser Leben zu beeinflussen, und genau aus diesem Grund sagt man, dass das Leben wie eine Wasserblase oder eine Lampe in einem zugigen Fenster ist – zerbrechlich, unvorhersehbar. Vom Augenblick der Geburt an hat der Tod begonnen, und es wird sehr schwierig sein, nach dem Tod ein weiteres Leben wie dieses zu gewinnen. Das kostbare menschliche Leben entsteht als Ergebnis früherer Ursachen und Bedingungen, die äußerst tugendhaft waren. Aus diesem Grund kann dieses Leben einen vom Leiden zu großem Glück führen. Es ist sehr wertvoll, aber unbeständig; es kann leicht zerstört werden. Deshalb sollten wir es nicht verschwenden, sondern die Möglichkeiten und den Reichtum, den es bietet, voll ausschöpfen. Nicht nur das Leben, sondern alle Dinge sind unbeständig.
Quelle: Samye Ling
Erleuchtung geschieht nicht zufällig
Situ Rinpoche
Buddha hat nie gesagt, wir sollen etwas erzwingen. Buddha sagte auch nie, dass wir von ihm abhängig werden müssen, und dass er sich um alles kümmern würde. Buddha sagte uns, dass wir zur Ruhe kommen und meditieren sollen, und dass seine Essenz in uns allen angelegt ist. In diesem Sinne können wir uns auf uns selbst stützen. Buddha lehrte uns den Weg, aber es liegt an uns, ihn zu praktizieren. Wir müssen selbst erwachen, Buddha kann uns nicht aufwecken und erleuchten. Wenn er die Fähigkeit hätte, andere zu erleuchten, dann würde ich sofort zu ihm gehen und mich beschweren: „Hör‘ mal, Buddha, du bist schon vor 2500 Jahren hier erleuchtet worden, und wir befinden uns immer noch im Elend, warum hilfst du uns nicht?“
Aber Buddha kann uns in dieser Weise nicht helfen. Natürlich hilft er uns, aber nicht so. Warum nicht? Weil Buddha nicht verschieden ist von uns. Buddha ist nicht besser und nicht schlechter als wir in unseren Anlagen und Möglichkeiten. Buddha kann uns nicht etwas aufdrängen, das wir nicht wollen. Erleuchtung kann nicht erzwungen werden, sie kann auch nicht unabsichtlich, irrtümlich aus Versehen oder als Unfall geschehen. Erleuchtung kann nur dann entstehen, wenn wir mit einer klaren freiwilligen Entscheidung danach streben.
Erleuchtung gibt es nicht für mich allein
Noch etwas ist entscheidend: der Buddha-Zustand ist grenzenlos, deshalb muss Buddha immer für alle Lebewesen da sein. Ich kann nicht sagen, dass ich nur für mich vollkommen erleuchtet werden möchte, das ist nicht möglich. Es kann keinen selbstsüchtigen Buddha geben. Weil Erleuchtung grenzenlos ist, ist sie für alle Lebewesen und kann nur mit der Motivation erreicht werden, dass man Erleuchtung zum Wohle aller Lebewesen anstrebt.
Ich denke, wir sollten unser Bestes versuchen, gute und ernsthafte Menschen zu sein, die für sich selbst und andere in gleicher Weise Sorge tragen. Das scheint vielleicht ein zu hohes Ziel zu sein, aber das sollten wir uns zum Ziel setzen. Das Mindeste, das wir erreichen sollten, ist zu sehen, dass unsere Gier, unser Ärger, unser Neid und unser Stolz abnehmen und dass wir erkennen, dass diese Geistesgifte genauso in anderen vorhanden sind, und wir deshalb diese Gefühle bei anderen genauso berücksichtigen wie bei uns selbst. Das sollte mit einem klaren Verständnis darüber geschehen, wer wir sind.
Was uns wirklich helfen kann, finden wir in uns selbst
Unser Potential hat keine Grenzen, deswegen gibt es nichts in der Welt, das uns wirklich zufriedenstellen kann. Wir können alles ausprobieren, und wir werden immer noch mehr wollen. Das ist ganz sicher. Das ist in der Menschheitsgeschichte nie anders gewesen. Deswegen sollten wir nicht zu sehr versuchen, Befriedigung von außen zu erlangen.
Natürlich wollen wir ein bequemes und glückliches Leben haben, und wollen wir erfolgreich sein. Das ist wunderbar, warum auch nicht? Aber wir dürfen keine letztendliche grenzenlose Erfüllung durch diese weltlichen Dinge erwarten, denn das wird nicht eintreffen. Was uns wirklich helfen kann, die letztendliche Befreiung und das unvergängliche Glück zu erreichen, ist nicht irgendwo anders, es ist in uns. Es ist in jedem von uns.
Wir sollten zur Ruhe kommen und meditieren, wann immer wir können, und in anderen Zeiten unser Bestes versuchen, mit einem klaren Geist die unbegrenzten Möglichkeiten in uns zu erkennen. Wir sollten uns niemals selbst als eine schlechte Person betrachten, auch wenn wir einen Fehler begangen haben. Wir sollten uns auch nicht als eine mit Schuld beladene Person ansehen, wenn wir etwas Falsches getan haben. Sondern wir sollten es akzeptieren, wie es ist, und versuchen, das Beste daraus zu machen, indem wir positive Dinge tun, nicht, indem wir negative Dinge wiederholen. Auf diese Weise können wir unsere täglichen Aktivitäten als Hilfen auf der positiven Aufwärtsspirale des spirituellen Weges nutzen. Deswegen bemühen wir uns, besser zu werden. Und das können wir, indem wir gelassen bleiben und meditieren.
Versprechen, Verpflichtung, Gelübde
Tai Situpa Rinpoche
Wenn wir Zuflucht nehmen, beschließen wir, uns auf den buddhistischen Pfad einzulassen und uns entsprechend zu verhalten und weiterzuentwickeln. Aus diesem Grund nehmen wir Versprechen oder Verpflichtungen und Gelübde auf uns. Die fünf Versprechen für Laien sind, nicht töten, nicht stehlen, kein sexuelles Fehlverhalten, nicht lügen und keine Rauschmittel einnehmen. Wir können uns entscheiden, eins, zwei, drei, vier oder alle fünf von diesen Verpflichtungen einzuhalten.
Der Lehrer, der die Gelübde gibt, spricht einen Text, der alle fünf enthält und wir nehmen im Geist, die, die wir nehmen möchten. Wenn wir diese Versprechen nehmen, ist es besser, die Augen nicht größer als den Magen zu sein lassen. Wir nehmen nur die Versprechen, von denen wir denken, dass wir sie für eine gewisse Zeit oder bestenfalls für den Rest des Lebens halten können. Es macht keinen Sinn, etwas zu versprechen, von dem wir nicht sicher sind, dass wir es halten können.
Wir müssen uns sehr klar darüber sein, was diese Versprechen sind. Nicht töten bedeutet in diesem Zusammenhang, nicht wissentlich und absichtlich zu töten. Andernfalls würde das Trinken von einem Glas Wasser, oder das Töten der Tiere, die wir mit jedem Schritt, den wir tun, zerquetschen, das Brechen dieses Versprechen bedeuten. Wir sollten nicht so tun, als ob diese Dinge nicht zählten, aber wir müssen uns sehr klar darüber sein, dass unser Versprechen sich darauf bezieht, kein Lebewesen absichtlich zu töten. Wir müssen immer noch Medizin nehmen und wir müssen immer noch Nahrung zu uns nehmen, und wir müssen immer noch Wasser trinken. Wir müssen uns der Wirklichkeit stellen, dass die Dinge, die wir tun, um zu überleben, nicht hundertprozentig in Ordnung sind. Sogar wenn wir unser eigenes Gemüse zögen, mussten wir es besprühen und so Insekten schädigen, denn andernfalls würden die Insekten das Gemüse auffressen und es bliebe nichts für uns übrig.
Wenn wir sagen, dass wir nicht stehlen werden, laufen wir der gleichen Dinge Gefahr. Alles in diese Welt gehört allen. Vögel, Götterwesen, Geisterwesen, Tiere, Menschen, alles gehört uns gemeinsam, aber wir Menschen drängen alle anderen zur Seite und tun so, als ob die Dinge wirklich unsere wären. Nehmen wir Bäume beispielsweise. Sie bieten ein Zuhause und Nahrung für Vögel und Insekten, schützen Tiere und Menschen, wir aber fällen sie und machen uns schöne Möbel. Mein Haus zum Beispiel ist voller Einrichtungsgegenstände aus Holz. Ich mag Einrichtung aus Holz. Wir müssen anerkennen, dass das ebenfalls stehlen ist, denn es bedeutet, etwas zu nehmen, das jedermann gehört.
Das ist genau so wahr für Milch. Kühe geben uns nicht freiwillig ihre Milch, sie produzieren sie für ihre Kälber. Aber all das gehört nicht zum Versprechen, nicht zu stehlen. Wenn wir sagen: „Ich werde nicht stehlen“, dann bedeutet das nur, dass wir nicht wissentlich jemand anderem Geld oder Besitz wegnehmen werden, wenn es uns nicht mit Absicht gegeben wurde. Es bedeutet nicht, dass wir nicht mehr Käse oder Gemüse essen oder Milch trinken.
Das nächste ist, nicht zu lügen. Jeden Morgen, wenn wir unsere Freunde treffen und sie uns fragen, wie es uns geht und wir antworten: „Gut. Mir geht es gut, danke“, dann ist das eine Lüge. Niemandem geht es wirklich permanent gut, jedermann hat Probleme. Wenn wir dieses Versprechen nehmen, versprechen wir nicht, von dieser Art der Lüge abzusehen, sondern wir versprechen nicht absichtlich zu lügen, um etwas für uns selbst zu erhalten, egal welche Folgen für andere daraus entstehen werden. Wir sprechen, Dinge nicht so zu verdrehen, dass wir andere täuschen, um das bekommen, was wir wollen.
Es gibt auch gute Lügen. Lügen, die ein Leben retten können, zum Beispiel. Wir sagen, dass wir nicht lügen werden, und meinen damit, dass wir keine Lüge zu unserem eigenen Zwecke, ohne Miteinbeziehung des Wohls der anderen erzählen werden. Die schlimmste dieser Art von Lügen ist die spirituelle Lüge, das bedeutet, über die eigenen spirituellen Erkenntnisse und Fähigkeiten zu lügen.
Sexuelles Fehlverhalten zu unterlassen, ist das nächste Versprechen. Es gibt sehr viele Details, die in diesem Gelübde enthalten sind, worauf es aber wirklich hinausläuft ist, dass wir, sofern wir nicht vollkommen enthaltsam leben, nur mit dem eigenen Partner Sex haben, und andere nicht durch unser unmoralisches Verhalten leiden.
Das letzte Versprechen ist, keinerlei berauschende Mittel einzunehmen, außer Medizin. Wenn uns unser Arzt dazu rät, eine gewisse Medizin einzunehmen, dann sollten wir sie einnehmen, sogar, wenn sie berauschend wirken könnte. Wenn wir krank sind, nehmen wir sie ein.
Wie ich bereits sagte, können wir eins, zwei, drei, vier oder alle fünf Versprechen, oft auch Laiengelübde genannt, nehmen. Diese Laiengelübde zu nehmen, bringt uns mehr Nutzen, als wenn wir uns nur einfach dieser Handlungen enthalten. Indem wir diese Versprechen nehmen, lassen wir uns mit voller Absicht darauf ein, diese Handlungen zu unterlassen und das ist viel, viel nützlicher, als sie per Zufall nicht auszuführen. Wenn wir uns bereits so verhalten, als hätten wir diese Versprechen genommen, dann macht dieser bewusste Entschluss unser Verhalten noch bedeutungsvoller. Alle früheren Meister der Übertragungslinie haben diese Gelübde eingehalten, und sie zu nehmen bedeutet, dass wir die Möglichkeit haben, unser natürliches Verhalten noch edler und erhabener zu machen.
Quelle: 12. Chamgon Kenting Tai Situ Rinpoche. Grundlage, Pfad und Ergebnis
Tai Situpa über Buddha-Natur
Das Erwecken der Buddhaschaft ist die wichtigste Grundlage und das Hauptprinzip der gesamten Lehren des Erhabenen Buddha. Buddha-Natur bedeutet definitionsgemäß, dass jedes einzelne fühlende Wesen — ganz gleich auf welcher Bewusstseinsebene es sich bewegt — seiner Essenz nach grenzenlos ist, dass die letztendliche Essenz eines jeden einzelnen fühlenden Wesens unbegrenzt ist. Das letztendliche Potenzial eines jeden fühlenden Wesens hat keinerlei Begrenzungen. Gleichzeitig ist die eigentliche Wesensnatur eines jeden fühlenden Wesens vollkommen. Das ist also die Definition von Buddha-Natur.
Aufgrund dieser Essenz, aufgrund dieses Potenzials, wurde der Prinz Siddharta erleuchtet. Eben deshalb, und nicht, weil Prinz Siddharta irgendeine Art außergewöhnliches Potenzial gehabt hätte, das allen anderen fühlenden Wesen abginge. Nein, Prinz Siddhartas Potenzial ist dem Potenzial aller fühlenden Wesen ganz gleich. Aber Prinz Siddharta verwirklichte und befreite dieses Potenzial, und das ist es, was Erleuchtung bedeutet. Auf diese Weise können wir die Definition und Bedeutung von Buddha, dem Erwachten erkennen und wertschätzen, denn sie steht in einem absoluten Zusammenhang mit einem jeden von uns.
Buddha ist nichts Höheres und wir sind nichts Niedrigeres. Buddha jedoch ist erleuchtet, und wir sind es nicht. So können wir uns vielleicht selbst unerleuchtete Buddhas nennen. Gleichzeitig können wir ganz und gar versichert sein, dass diese Buddha-Essenz, diese Buddha-Natur, dieses grenzenlose Potenzial völlig unkorrumpierbar ist und nie verfälscht werden kann. Es gibt keine Möglichkeit, dass es zerstört oder irgendwie verdorben werden könnte. Denn diese unsere Essenz ist das Letztendliche, das Eigentliche, das Grundlegendste; nichts Relatives.
Buddha-Natur ist die letztendliche Essenz eines jeden Einzelnen von uns. Und sie ist völlig jenseits jedweder Art von Begrenzung, was auch immer wir uns an Begrenztheit ausmalen könnten.