Samye Dzong daheim Nr. 57

Inspirationen für schwierige Zeiten

Lebe in Freude, in Liebe. Auch unter denen, die hassen.
Lebe in Freude, in Gesundheit. Auch unter den Leidenden.
Lebe in Freude, in Frieden. Auch unter den Unruhigen.
Schau nach innen. Sei still. Frei von Angst und Anhaftung.
Erkenne die süße Freude des Weges.

Buddha, Dhammapada

In den Meditationsgruppen geht es immer wieder um die letztendliche oder „absolute“ Realität aller Dinge, der Leerheit von eigenständiger, unabhängiger, fester Existenz. Dazu folgen einige Gedanken aus einem Vortrag von HH. 17. Karmapa Ogyen Trinley Dorje.

„Das Verständnis der Leerheit kann unser wichtigster Grund sein, über Herzensgüte und Mitgefühl zu meditieren.“

Seine Heiligkeit der Karmapa deutete auf eine falsche Tendenz hin, die Leerheit als eine Form des Nihilismus negativ zu betrachten, und unterstrich die Wichtigkeit, Leerheit positiver zu sehen. Er präsentierte die Leerheit als Grundlage aller Möglichkeiten.

Leerheit kann als der inhärente Raum der Möglichkeit angesehen werden, der für uns alle existiert. Leerheit ist Freiheit von Vorurteilen jeglicher Art. Es ist der Raum der angeborenen Freiheit. Da alle Phänomene von Natur aus leer sind, kann sich alles manifestieren, alles entstehen. Auf diese Weise ist die Leerheit die Quelle oder der Ursprung von allem. Es ist wirklich nicht so, dass Leerheit der Ort ist, an dem alles nicht mehr existiert. Es ist eher so, dass die Leerheit die Quelle ist, aus der alles entsteht.

Es besteht eine enge Verbindung zwischen der philosophischen Sichtweise der Leerheit und der der gegenseitigen Abhängigkeit aller Dinge. Beginnend mit dem Kosmos und endend mit der Kombination von atomaren Partikeln. Alles, was existiert, ist nur durch das Zusammentreffen mehrerer miteinander verbundener Ursachen und Bedingungen entstanden.

Wenn alles für sich allein existieren würde, ohne Verbindung zu irgendetwas anderem, wäre es unmöglich, dass neue Dinge entstehen. Dies zeigt uns, dass den Dingen ihre eigene unabhängige oder getrennte Identität fehlt, und daher gesagt werden kann, dass sie voneinander abhängig sind oder keine unabhängige Essenz aufweisen. Leerheit oder gegenseitige Abhängigkeit sind also zwei Möglichkeiten, sich derselben fundamentalen Realität zu nähern.

Es geht nicht darum, die Leerheit als philosophische Darstellung zu verstehen. Es ist sehr wichtig, dass wir ständig erforschen, wie Leerheit uns in unserem täglichen Leben zugute kommen kann und insbesondere, wie sie unserer Praxis des Mitgefühls unterstützt.
Unser beharrliches Selbstverständnis, das uns als etwas betrachtet, das von anderen getrennt oder unabhängig besteht, ist ein großes Hindernis für Mitgefühl, das überwunden werden kann, indem wir unser Verständnis von Leerheit auf unsere Lebenserfahrungen anwenden.
Wir können die wichtige Arbeit des Abbaus dieses dualistischen Verständnisses beginnen, indem wir einfach die unzähligen Arten beobachten, in denen wir – von unseren physischen Körpern bis zu unserer Identität – von dem abhängen, was wir „andere“ nennen.

Wenn wir sagen, dass das Selbst auf diese Weise nicht existiert oder in seiner Natur leer ist, meinen wir, dass das Selbst nicht so existiert, wie wir es uns vorstellen. Wir sagen nicht, dass es überhaupt kein Selbst gibt. Dies ist ein entscheidender Punkt.
Wir lernen über die Leerheit als über die Gesamtheit dessen, wer wir sind. Dies ist der erste Schritt zur Entwicklung des Mitgefühls, indem wir das Verständnis der Leerheit fest in der Sorge begründen, Mitgefühl in die Tat umzusetzen, und die volle Realität davon zu verstehen, wer wir sind.

Dann können wir den zweiten Schritt machen, nämlich zu versuchen, unser Mitgefühl zu nutzen, und es auf andere auszudehnen. Wenn wir diesen zweiten Schritt machen, ohne die Leerheit zu verstehen oder ohne zu wissen, was dieses Ich ist oder wer wir sind, dann ist es wirklich schwierig, diesen zweiten Schritt des Mitgefühls auf echte Weise zu machen. 
Karmapa erklärte es mit der Analogie eines extrem scharfen Schwertes, das Metall durchtrennen kann, und vergleicht die Schärfe des Schwertes mit unserem Verständnis der Leerheit und den Auswirkungen auf unsere tatsächliche Existenz, die untrennbar ist mit anderen.
Wenn wir das Schwert der Leerheit oder des Wissens über gegenseitige Abhängigkeit sehr scharf machen, werden wir in der Lage sein, das gesamte Eisennetz, das uns in Selbst und Selbstsucht verstrickt, vollständig zu durchschneiden und zu durchbrechen.
Er verglich die festen Mauern, die wir durch unsere Selbstbezogenheit und Selbstfixierung um uns herum schaffen mit einem Gefängnis, und forderte sein Publikum auf, der Schärfe des Schwertes die Kraft des Mitgefühls hinzuzufügen. Da die Kraft, mit der man unser Schwert führen muss, um unsere Ketten zu durchschneiden, so groß ist, scherzte der Karmapa, dass es besser wäre, die Analogie einer Kettensäge zu verwenden, die an die Hochspannung intensiven Mitgefühls angeschlossen ist.

Abschließend regte er das Modell eines Aktivisten des Mitgefühls an – jemand, der nicht nur Mitgefühl empfindet, sondern jemand, der Mitgefühl tut. Das Verständnis von Leerheit und gegenseitiger Abhängigkeit kann als klarer Weg dienen, der uns dazu führt, unser Mitgefühl zu entfalten. Ebenso könnten wir uns vorstellen, wie die Welt wäre, wenn es überhaupt kein Mitgefühl gäbe. Wir können bereits die Auswirkungen eines Defizits an Mitgefühls beobachten, und die Erkenntnis der extremen Gefahr eines Mangels an Mitgefühl kann uns auch motivieren, den Weg zu beschreiten, um auf der Grundlage von Mitgefühl zu handeln.
Im Allgemeinen scheint es zu viel Abstand zwischen dem, was wir sagen und dem, was wir tun, zu geben. Karmapa persönlich sieht es so, dass es wichtig ist, sich nicht nur damit zufrieden zu geben, Dinge zu sagen oder sich mit intellektuellem Verständnis zufrieden zu geben. Vielmehr sollten wir unser Verständnis so sinnvoll wie möglich auf unseren Geist anwenden, und es in unsere Erfahrung und Praxis einbringen. 

Lama Yeshe über Tod und Sterben

Wenn wir alt werden oder glauben zu sterben, sieht der gute Praktizierende den Tod als Chance und hat keine Angst vor dem Sterben. Sich als Tara oder Chenrezig vorstellen zu können, verhindert, dass wir Angst vor dem Tod haben.

WENN WIR SELBST STERBEN
Der ganze Zweck des Praktizierens von Dharma ist es, die Angst vor dem Tod loszuwerden. Auf den Tod vorbereitet zu sein, ist sehr wichtig. Wenn wir sterben, fallen wir in ein Koma, eine totale Dunkelheit. Daraus entwickelt sich ein großes Licht. Wenn wir keine Dharma-Praktizierenden sind, werden wir Angst haben und vor dem strahlenden Licht davonlaufen und Schutz suchen wollen. Das ist falsch. Es ist möglich, Selbstbefreiung zu erreichen, indem man versteht, dass das Licht Buddhaschaft bedeutet.
Wenn wir dieses Licht versäumen, haben wir noch eine Chance, wenn wir Praktizierende sind, und während unseres Lebens Yidampraktiken wie Chenrezig oder Tara gemacht haben. Wenn wir uns zum Zeitpunkt des Todes an diese Praxis erinnern, sind wir nicht verloren oder verängstigt, sondern stellen uns als Vajrayogini, Chenrezig oder Tara vor. Dies ist der zweite Weg zur Selbstbefreiung, wenn wir sterben.
Wenn wir diese beiden Möglichkeiten verpasst haben, gibt es noch eine dritte Möglichkeit, was bedeutet, dass wir unsere zukünftigen Eltern auswählen können. Wir wollen Eltern auswählen, die uns zum Dharma bringen. Wenn wir alle drei dieser guten Gelegenheiten verpassen, können wir immer noch tief in unserem Geist oder Herzen beten, und auf eine bessere Zukunft hoffen und beten.

JEMAND ANDEREM HELFEN, DER STIRBT
Manche Menschen sterben jung, manche alt, manche krank, manche unfallbedingt. Unabhängig davon, wie wir sterben, passiert jedem die gleiche Erfahrung. Denjenigen Menschen, die das Glück haben, allmählich alt zu werden und sanft zu sterben, können wir helfen und sie in ihrem Sterbeprozess begleiten.
Unser Körper besteht aus fünf Elementen: Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum. Wenn ein Mensch stirbt, wird er oder sie zuerst sagen, dass ihm oder ihr sehr kalt ist. Diese Menschen können sagen, „Gib mir eine Decke, gib mir Wärme“. Dies bedeutet, dass sich ihr Feuerelement auflöst. Sobald sie dieses Stadium erreicht haben, bedeutet dies, dass sie definitiv sterben werden. Dann hören sie allmählich auf, sich bewegen zu können, was bedeutet, dass sich das Windelement auflöst. Wenn jemand nicht mehr funktionieren kann, wissen wir, dass sich alle Elemente auflösen. Das Letzte, was man sieht, wenn der Moment des Todes naht, ist eine Träne, die aus ihrem Auge kommt. Dies ist das sich auflösende Wasserelement.
Wir können Sterbenden helfen, indem wir ihr Bewusstsein mental lenken. Wir sagen ihnen, dass sie keine Angst haben sollen, dass sie positiv denken sollen. Wenn sie Christen sind, sagen wir ihnen, sie sollen um Gottes Hilfe bitten. Wenn sie Buddhisten sind, sagen wir ihnen, sie sollen zu Buddha beten. Wenn wir das tun, können wir ihnen definitiv helfen.
Ein Praktizierender des Buddhismus zu sein bedeutet nicht nur, dass wir in diesem Leben bessere, fürsorglichere und freundlichere Menschen sein wollen, sondern dass wir auch wissen, wie man richtig stirbt. 
Wenn wir Angst vor dem Sterben haben, kann es schwierig werden, wenn wir sterben. Unkluge Menschen denken nicht gern darüber nach, was schief gehen könnte, aber wenn etwas schief geht, können sie damit nicht umgehen. Das ist schmerzhaft, und es bringt mehr Leiden, wenn man nicht weiß, was man tun soll.
Weise Menschen denken über die Natur der Vergänglichkeit nach. Wenn sich etwas ändert, möchten Sie vorbereitet sein. Wenn wir über Altern und Sterben nachdenken, haben wir mehr Zeit zum Üben.
Weise Buddhisten denken, dass dieses Leben äußerst kostbar und sehr schwer zu erhalten ist. Nach buddhistischer Auffassung ist es die beste Lebensform, ein Mensch zu sein. Wir besitzen Intelligenz, aber auch gerade genug Leiden, was die beste Form zum Üben ist. Es gibt viele Lebensformen da draußen: Kühe, Schafe, Ziegen, Tiere, die nicht einmal wissen, wie sie Schutz für sich selbst finden können. Menschen sind intelligent. Dies ist der beste Zustand und sehr wertvoll, deshalb wollen wir ihn nicht verschwenden. Wenn wir so denken, können wir uns dem Dharma zuwenden.
Ihr habt den Brauch, am Jahresende gute Vorsätze zu überlegen für das neue Jahr, wie zum Beispiel das Rauchen aufzugeben. Nehmt Euch vor, dieses Leben zu nutzen und nicht zu verschwenden.
Jeder von uns hat bestimmte Arten von Geistesgiften, die uns und anderen Menschen immer Probleme bereiten. Wenn wir eine sehr wütende Person sind, können wir mental ein Gelübde ablegen, dass wir von heute an, alles tun werden, um den Weg der liebenden Güte zu beschreiten, bis wir in der Lage sind, den Ärger vollständig aufzugeben. Oder wenn wir viel Eifersucht oder Stolz haben, versuchen wir Bescheidenheit und Mitfreude am Glück und Erfolg der anderen zu entwickeln. Es klappt.

Wenn wir diese Verpflichtung eingegangen sind, erinnern wir uns jeden Morgen daran, dass wir diese Verpflichtung übernommen haben. Wir meditieren jeden Morgen fünfzehn Minuten lang und sagen uns: „Ich werde mir nicht erlauben, wütend zu sein. Heute hat Wut keine Chance!“
Wenn jemand uns wütend macht, sagen wir uns: „Nein. Achtsamkeit üben! Denke daran!“ Meditiere dann abends noch fünfzehn Minuten. Untersuche dich selbst und frage: „Habe ich meinem Zorn nachgegeben?“ 
Versucht einen ganzen Tag der Achtsamkeit. Sagt euch am Morgen: „Ich bin glücklich, am Leben zu sein. Ich werde mir niemals erlauben, mit Wut zu sterben. Wenn dann jemand etwas sagt, das dich wütend macht – Wut – oh, nein, nein, nein. Wenn ihr wie ein Ballon mit Gas seid, erkennt es, ehe der Ballon platzen kann. Befreiet euch von Anfang an von der Wut. Lasst sie nicht wachsen. Normalerweise dauert Wut viele Wochen oder viele Tage. Zuerst denkst du vielleicht: „Ich mag nicht, wie er mich ansieht“. Dann wirst du immer wütender. Wenn ihr den Ärger los werdet, werdet ihr viel freudvollere Menschen sein. Ja, meine Freunde: “Keine Entschuldigung! Wut ist nicht euer Reichtum. Ihr seid nicht voller Wut auf diese Welt gekommen, also müsst ihr sie jetzt nicht haben.”

Also, setz dich und meditiere, überlege: „Was ist mein schlimmstes Gift? Eifersucht – muss ich die Eifersucht aufgeben? Oder den Zorn? Muss ich den Zorn aufgeben? Ist es Stolz? Der Stolz schaut auf alle herab und denkt, man selbst ist oder weiß es besser als alle anderen.
In dieser dunklen oder modernen Zeit ist die beste Medizin überhaupt die liebevolle Güte. Wenn wir sie haben, wird das Leben viel einfacher sein. Wenn wir keine Eifersucht haben, haben wir kein Leiden. Wenn wir keine Wut haben, haben wir kein Leiden. Denn wenn wir keine Freude haben, werden wir nicht glücklich. Wenn wir Eifersucht und Wut in unseren Herzen behalten, können wir nicht glücklich sein.

„Es tut mir leid, dass ich euch eure alten Gewohnheiten genommen habe. Aber ihr habt eine Wahl. Ich zwinge euch nichts auf. Ich schlage das nur vor, ich sage euch nicht, dass ihr es tun sollt. Guter Lehrer, gute Religion bedeutet, dass ich niemandem meinen Glauben aufzwinge. Ich gebe euch meine Ideen weiter. Wenn ihr denkt, dass es besser ist, Ärger zu haben, gebt euer Bestes. Wenn ihr eure Wut mögt, gibt es kein Problem – es ist eure Wahl.“

F: Wie gehen Sie mit Angst um?
Lama Yeshe Rinpoche: Im Buddhismus besteht der richtige Weg, mit Angst umzugehen, darin, die Wahrheit der Buddhanatur zu studieren, um sie zu verstehen. Wenn Lama Yeshe nicht existiert, wie kann ich dann Angst haben? Angst kommt mit dem Ego, dem Ich. Meistens hat Lama Yeshe Angst im Namen von Lama Yeshe, also kann ich mich darin üben, zu sagen: „Wo ist Lama Yeshe, nicht hier, nicht dort? Wo finde ich ihn, im Körper, im Kopf?“ Ich existiere nicht, also habe ich keine Angst. Studiere analytisch die Essenz des Ego.
Wenn wir wirklich verstehen, dass die Natur des Ego leer ist, das heißt ohne dauerhafte, solide, feste Essenz, dann geht die Angst. Das ist Freiheit von Angst für immer.

Die Praxis der vier vorbereitenden Übungen (Ngondro)

Zur weiteren Inspiration für alle Teilnehmer der Ngondro-Gruppen einige Anregungen, Erklärungen und Graphiken der gemeinsam erreichten Zahlen (Stand:10.4.21) von Mantras. Es ist schön, als Gruppe zu praktizieren und an diesem besonderen „Projekt“ beteiligt zu sein.Die folgenden Interviews mit Kalu Rinpoche und Trungpa Rinpoche sind auf die Praxis der vier außergewöhnlichen vorbereitenden Übungen und ihre Bedeutung für heutige Schüler des Buddhismus
ausgerichtet.

Tschögyam Trungpa Rinpoche : Jede Form von spiritueller Disziplin, eines handwerklichen oder pädagogischen Programms, hat ihre anfänglichen, mittleren und abschließenden Stufen. Die vier vorbereitenden Übungen (sngon-‚gro, wörtlich »voran-gehend«, Einleitung) stehen am Anfang der Disziplin des Vajrayana. Natürlich ist das Vajrayana nicht die erste, sondern die dritte Stufe buddhistischer Praxis, welcher Hinayana und Mahayana vorausgehen. Diejenigen aber, welche mit der Disziplin des Vajrayana beginnen, tun dies mit den vier vorbereitenden Übungen.
Im Einklang mit der Tradition erfordert die Praxis dieser grundlegenden Übungen gründliche Vorbereitung. In Tibet mussten sich die Menschen in früheren Zeiten einer umfassenden, langwierigen Schulung unterziehen, ehe sie die vorbereitenden Übungen praktizieren konnten. Diese umfasste grundlegende Ausbildung von innerer Geistesruhe und Einsichts-Meditation (Tib. Shine und Lhaktong,Skt. Samatha und Vipassana) ebenso wie eine gewisse Schulung im Mahayana, wozu das formelle Ablegen des Bodhisattva-Gelübdes gehörte.
Ehe der Praktizierende mit einer Meditationssitzung beginnt, schließt er alle Ablenkungen aus. Er kann dann ein Abbild derjenigen Visualisation aufstellen, welche in dieser Praxis angewendet wird, beispielsweise eine bildliche Darstellung von Vajrasattva (Dorje Sempa), ein Bild des Zufluchtsbaumes usw.
Die eigentliche Praxis der vier besonderen vorbereitenden Übungen bezieht den Praktizierenden in ein intensives Geschehen ein, das körperliche, verbale und geistige Handlungen vereinigt. Während er jeden Abschnitt der liturgischen Darstellung rezitiert, visualisiert er diejenige Szene, welche darin Beschreibung findet, denkt über die Bedeutung der Gebete nach, und führt die angegebenen rituellen Handlungen aus. Währenddessen versucht er, seine Aufmerksamkeit ausschließlich auf die Praxis zu konzentrieren.
Damit er die Praxis vervollständigt, muss er traditionell jede der vier besonderen vorbereitenden Übungen 111.111 mal ausführen. Da die Zufluchtnahme auch 111.111 volle Verneigungen umfasst, ist die Gesamtzahl 555.555. Die Praxis wird von daher als die »Fünfhunderttausend« bezeichnet. Für Menschen im Westen, die aufgrund ihrer Lebensumstände nicht volle Anzahl der Übungen ausführen können, hat der 17. Karmapa eine kürzere Version verfasst.

Worin besteht die Funktion einer jeden der vier besonderen vorbereitenden Übungen?

Kalu Rinpoche: Allgemein gesprochen, entfernen die ersten 444.444 Übungen (das sind die Zufluchtnahme und die Verneigungen, die Vajrasattva-Praxis und das Mandala-Opfer) die Verdunkelungen und Hindernisse,  und bewirken die zwei Formen der Ansammlung. Der Guru-Yoga verleiht uns großen Glauben an unseren Guru, was dazu führt, dass wir seinen Segen empfangen und Mahamudra erreichen können.
Trungpa Rinpoche: Die vier besonderen vorbereitenden Übungen sind ein Entwicklungsprozess, in dem jede Begebenheit ihren festen Platz hat. Man könnte sie zu den vier Dharmas von Gampopa in Beziehung setzen. Bei der Zufluchtnahme richtet sich unser Geist allmählich auf den Dharma; dies ist der erste Dharma bei Gampopa. Unsere Einstellung zu uns selbst und zu allem in unserem Leben wird sich ganz auf die Dharma-Praxis beziehen. So etwas wie eine Unterscheidung zwischen Dharma und Profanem gibt es nicht mehr.
Wenn wir mit der Praxis beginnen wollen, müssen wir uns zuerst dem Dharma vollständig »ausliefern«. Dies wird erreicht durch die Ausführung von Verneigungen – ein Vorgang der völligen Hingabe und eindeutigen Verpflichtung. Ich glaube nicht, dass jemand mit der Praxis des Vajrayana ohne dies beginnen kann.
Wenn wir das Bodhisattva-Gelübde ablegen, treten wir tatsächlich die Reise auf dem Dharma-Weg an: Bodhicitta, das große Mitgefühl und der Pfad des Bodhisattva. Das bezieht sich auf den zweiten Dharma bei Gampopa, der besagt, dass unsere Dharma-Praxis auf dem Wege wirklich von Erfolg sein kann.
Wenn wir die Praxis des Vajrasattva ausführen, reinigen wir dasjenige, was wir aufgegeben haben, alle unsere Unreinheiten, Verfehlungen und negativen Handlungen von Körper, Rede, Geist, und gestehen sie ein. Alle Unreinheiten müssen gereinigt werden.

Nach der Reinigung bleibt immer noch etwas übrig: die bloße Person, welche noch einen Hauch von Arroganz, ein Körnchen der Idee von dauerhafter Existenz in sich tragen könnte. In der Praxis des Mandala geben wir tatsächlich alles hin, die bloße Person eingeschlossen. Diese – den Geber – bringen wir ebenso wie alle Opfergaben als Opfer dar. An diesem Punkt existieren wir gewissermaßen nicht mehr weiter.
Zum Zeitpunkt, wenn wir zu der Praxis des Guru-Yoga gelangen, sind wir psychologisch dazu bereit, eine Identifikation mit unserem Guru einzugehen. In unserem Geist entsteht grenzenlose Hingabe. Diese steht in Beziehung zu dem dritten Dharma bei Gampopa, der besagt, dass die Verwirrung geklärt werden kann, wenn wir dem Pfade folgen. Die tatsächliche Umwandlung von Verwirrung in Weisheit, der vierte Dharma bei Gampopa, bedeutet das Empfangen von Abhishekas bzw. Einweihungen und die Ausübung verschiedener Sadhanas. Das ist der Hauptteil der Disziplin des Vajrayana, welcher viel später kommt.
Wer mehr über die 4 Dharmas von Gampopa wissen möchte, kann gerne ein kleines Heft erhalten, das wir hier im Zentrum haben.

Nächste Ngondrogruppe:    Sa.  8.Mai 21   13.30 – 15.30 h    (5.Juni 21)

Von Akong Rinpoche zu Vajrayana

Vajrayana-Praxis ist Transformation. Was ist Transformation? Transformation ist nichts, was man in einer Maschine macht. Es ist unser Verständnis, alle hässlichen Menschen in ihrer Reinheit zu sehen, und für ihre Existenz dankbar zu sein. Wir werden das vielleicht zuerst nicht sehen können, aber wenn wir uns weiterhin bemühen, die Qualitäten der anderen zu erkennen, werden wir eines Tages, wenn wir hinausgehen, die Hässlichen und Ungesunden nie mehr sehen können, werden wir sie alle als schön anerkennen, und wir werden den Respekt all dieser Menschen erhalten. Das Tantrayana wird im Westen oft als eine Art Sexualerziehung missverstanden. Aber Tantrayana heißt, dass wir unseren Geist in eine positive Haltung versetzen. Es ist nicht die Idee der Sexualerziehung, sondern unseren Geist in einen Zustand der Reinheit zu versetzen. Das ist Tantrayana.

Insbesondere ist es für unseren Geist sehr wichtig, ihn von einer negativen zu einer positiven Sichtweise zu trainieren. Wenn wir auf die Straße gehen, wenn wir in die U-Bahn oder an einen anderen Ort gehen und Menschen, die wir sehen, Bettler, Diebe, hässlich oder schmutzig sind, dann sollten wir lernen, wie man alle respektiert. Vielleicht sind sie Emanationen des Buddha. Man kann nie sagen, dass die Buddhas immer in einer goldenen Form kommen werden. Buddha selbst sagte, seine Emanationen könnten in vielen Formen erscheinen. Buddhas können Prostituierte sein, Drogendealer, sie können alles sein, jede Art von Formen, auch Verbrecher. Nur wir haben die Hindernisse, dass wir die Reinheit dieser Menschen nicht sehen können.

Die Vajrasattva oder Dorje Sempa Reinigungspraxis

Auf allen Ebenen des Dharma ist die Reinigung von entscheidender Bedeutung. Es bildet die Hälfte des Reinigungs-Ansammlungs-Paares des Ngondros. In der Alltagssprache könnte man sagen, dass wir das, was in uns schädlich ist, loswerden, und das entwickeln müssen, was hilfreich ist. In allen Dharma-Traditionen sind die vier Reinigungskräfte die wesentliche Methode, um sowohl vergangene Missetaten zu reinigen, als auch unseren Geist so zu verändern, dass er nicht mehr in die falsche Richtung irrt. Im Vajrayana vereinen sich diese Kräfte der Reinigung, und nehmen als Praxis des Vajrasattva Gestalt an. Von den vier Kräften der Dorje-Sempa Reinigungspraxis sind zwei besonders mächtig:

– Die Kraft des Heilmittels wird durch die Natur der Vajrayana-Meditation in ihrer höchsten Stufe als höchstes Yoga-Tantra bewirkt. Die Gottheit ist die Vereinigung von Leerheit und Manifestation. Von allen Heilmitteln ist das Heilmittel der Leerheit das wirksamste.

– Die Kraft der Unterstützung wird durch die beiden mächtigsten Unterstützungen bewirkt: Bodhicitta und absolute Wahrheit (Leerheit). Vajrasattva ist die Verkörperung, die Gegenwart von beidem, und die Praxis ist eine Öffnung für die höchste Wahrheit als tiefste Quelle der Reinigung.

Es besteht ein sehr dringender Bedarf an intensiver Reinigung, wenn wir uns auf Mahamudra vorbereiten. Im Allgemeinen beschleunigt jeder Dharma-Fortschritt die Reifung des Karma. Das gute Karma, das wir aus früheren Leben haben, bietet die positiven Möglichkeiten des Dharma. Wir treffen auf authentische Lehrer und Lehren. Das Üben der Lehren magnetisiert jedoch automatisch das wichtigste negative Karma, das wir in uns tragen, da es ein echtes Hindernis für den Fortschritt darstellt, und bearbeitet werden muss.
In einer detaillierteren Lehre über die Natur der fünf Stufen des Weges zur Erleuchtung entdecken wir, dass ein Fortschritt über bestimmte Punkte hinaus unmöglich ist, während bestimmte Arten von schädlichem Karma, die noch durchlebt werden müssen, im Strom des Bewusstseins verbleiben. Zum Beispiel muss an einem Punkt alles Karma, das zum Tod führen könnte, behandelt werden, bevor sich die nächste Stufe des Pfades öffnen kann.

Mahamudra ist die mächtigste aller Praktiken und wir sollten erwarten, dass es das Leben „interessant“ macht, indem durch diese Praxis viele Dinge beschleunigt werden. In dieser Hinsicht ist die Anwesenheit eines erleuchteten Wesens in unserem Leben wichtig, d.h. durch seine Anleitung kann ein Guru in unserem Leben einen erheblichen Einfluss darauf haben, die Reihenfolge der Reifung unserer Karmas aus früheren Leben neu zu ordnen. Dies geschieht automatisch und zum Besten. Diese Fähigkeit ist eine der zehn Kräfte eines erleuchteten Wesens.

Die Haupthindernisse, die verhindern, dass all die außergewöhnlichen Erfahrungen und Erkenntnisse des tiefgreifenden Pfades entstehen, sind das schädliche Karma, das wir mit uns tragen, die verschiedenen mentalen Verdunkelungen und die Kraft der Gewohnheit. „Verschleierungen“ bedeutet die negativen Gewohnheiten und die dualistische konzeptuelle Aktivität, die die Buddhanatur verdunkeln.
So wie die Oberfläche des Spiegels gereinigt werden muss, damit Dinge darin reflektiert werden können, müssen auch unsere Verdunkelungen beseitigt werden, damit die Verwirklichung wie eine Reflektion im Spiegel der universellen Basis erscheint. Der Buddha lehrte unzählige Reinigungsmethoden für diesen Zweck, aber die Beste von allen ist die Meditation und Rezitation von Vajrasattva.

Bei der Vajrasattva-Meditation sind zwei Faktoren entscheidend:
1. Zu lernen, eine absolut klare, eins-gerichtete Konzentration auf jedes Detail der Hauptvisualisierung aufrechtzuerhalten. Was dies in der Praxis bedeutet, wird deutlich, wenn jemand die vollständigen Anweisungen erhält.
2. Zu lernen, absoluten Glauben an den Prozess, und darüber hinaus, an die Gegenwärtigkeit der universellen Reinheit in Form des Gurus über dem eigenen Kopf, zu entwickeln.

Obwohl die Zufluchts- oder Niederwerfungspraxis einen gewissen Grad an Visualisierung beinhaltet, ist die Vajrasattva-Praxis das erste Mal auf dem Mahamudra-Pfad, in dem es eine Eins-zu-Eins-Beziehung zum Guru gibt, die in einer erleuchteten Form (d.h. als Gottheit) visualisiert wird, in diesem Fall Vajrasattva. Wir können diese Praxis nicht Sadhana oder Puja nennen, da ihre Struktur dafür zu einfach ist. Trotzdem hat es viel von der Qualität einer Sadhana.
Der Kern der Praxis ist die Rezitation von hunderttausend Vajrasattva-Mantras. Das Vajrasattva-Mantra ist bekannt als das Mantra mit hundert Silben aufgrund der Anzahl der Silben, die sich auf die hundert wichtigsten friedlichen und zornigen Gottheiten beziehen, aus denen es besteht. Es wäre nicht angebracht, das Mantra oder die Praxis mehr als dies zu diskutieren, da einige Leser möglicherweise keine Ermächtigung oder die grundlegenden Anweisungen erhalten haben.

Ken Holmes

Sadhana ist ein Sanskrit-Begriff und bedeutet: Mittel für Vervollkommnung, er wird auf jede spirituelle Methode angewendet, die der Lehrer einem Schüler empflehlt. Eine tibetische Sadhana ist normalerweise eine Gottheiten-Praxis mit verschiedenen Stufen von Zuflucht, Bodhicitta, Aufbau der Visualisation, Einladung der Gottheit, Opfergaben, Mantra-Praxis, Widmung etc. 

Vorrausschau:
Nächster Retreat-Tag    Sa. 24. April  21     8 – 17 h


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Für eine grüne Terrasse zum Wohlfühlen im Zentrum
Meditation in inspirierender Umgebung

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